04. August 2013 · Kommentare deaktiviert für Marokko: Festnahmen von Flüchtlingen, Protest-Brief · Kategorien: Marokko · Tags:

Festnahmen von Migranten(innen) aus Subsahara-Afrika in Marokko
Sehr geehrter Herr Botschafter,
mit großer Sorge habe ich Berichten marokkanischer und internationaler Medien entnommen, dass marokkanische Sicherheitskräfte in den letzten Tagen im Norden Marokkos und in anderen Städten wie Mekhnès oder Rabat Razzien gegen Migranten(innen) aus Subsahara-Afrika durchgeführt haben. Einige Beispiele: Am 27. Juli wurden 140 Migranten(innen) rund um die Stadt Nador festgenommen, und einige Tage davor – am 24. Juli – waren es fast 300 Migranten(innen), die im Stadtviertel Boukhalef in Tanger festgenommen wurden.

Anlass der Razzien war der Versuch einer unbewaffneten Gruppen von Migranten(innen) die Grenzbefestigungen von Melilla in der Nacht vom 23. auf den 24. März zu überwinden. Während der Razzien wurden hunderte Migranten und Migrantinnen – Männer, Frauen und Kinder – zusammengetrieben, geschlagen und in die Wüste an der marokkanisch-algerischen Grenze abgeschoben. In Tanger wurde eine Frau aus Senegal mit ihrem zweijährigen Kind mitten auf der Straße von Sicherheitskräften verletzt und sodann halbausgezogen auf einen Lastwagen zum Transport an die marokkanisch-algerische Grenze gebracht. In der Nähe von Nador wurde eine Frau gezwungen, ihr sieben Monate altes Baby im Wald auszusetzen, eine andere musste eines ihrer drei Jahre alten Zwillige dort lassen. Andere, die es geschafft haben zu fliehen und sich in den nahe gelegenen Wäldern zu verstecken, wagen sich nicht in die Städte zurück – aus Angst vor neuen Razzien. Wieder andere befinden sich in Krankenhäusern in Nador, wo es bereits zwei Tote und zahlreiche Schwerverletzte gegeben hat.
Ebenfalls beunruhigend ist, dass die Razzien seitens vieler Medien in Marokko mit dem Hinweis gerechtfertigt wurden, dass es sich um einen bewaffneten Angriff mit Stöcken auf die Zäune von Melilla gehandelt haben soll. Denn in meinen Augen ist es irreführend, Stöcke in diesem Kontext als Gewalt zu bezeichnen (sollte es überhaupt zu ihrem Einsatz gekommen sein). Gewalt ist in den letzten Tagen vielmehr von Angehörigen der marokkanischen Sicherheitskräfte ausgegangen, wie die oben erwähnten Beispiele zeigen. Genauso wenig sollte die menschenverachtende Abschottungspolitik der Europäischen Union aus dem Blick geraten. Denn letztlich ist insbesondere sie dafür verantwortlich, dass seit 1993 mehrere zehntausende Flüchtlinge und Migranten(innen) sowohl aus Subsahara-Afrika als auch aus dem Maghreb ihr Leben auf dem Weg nach Europa verloren haben.
Grundsätzlich möchte ich Sie bitten, sich für eine sofortige Beendigung der bis heute anhaltenden Razzien, Inhaftierungen und Rückschiebungen an die marokkanisch-algerische Grenze einzusetzen. Hierzu gehört auch, dass die Verantwortlichen für die jüngsten Todesfälle zur Rechenschaft gezogen werden. Zudem sollten sämtliche Migranten(innen) mit Verletzungen die Möglichkeit erhalten, sich medizinisch in Krankenhäusern behandeln zu lassen – ohne Angst vor Inhaftierung. In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass ich die entsprechenden Forderungen marokkanischer Menschenrechtsorganisationen ausdrücklich unterstütze.

Die Adresse der marokkanischen Botschaft lautet:
Post: Botschaft des Königreichs Marokko, Niederwallstraße 39, 10117 Berlin; Fax: +49 (0) 30 20 61 24 20; E-mail: kontakt@botschaft-marokko.de
Weitere Informationen zur Situation von Flüchtlingen und MigrantInnen in Marokko befinden sich auf unserer Webseite (www.afrique-europe-interact.net), verwiesen sei insbesondere auf ein aktuelles, sehr beeindruckendes 17-minütiges Video der Spanischen Zeitung El Pais, das auch mit englischen Untertiteln versehen ist: http://www.afrique-europe-interact.net/index.php?article_id=1033&clang=0
Schließlich sei noch darauf verwiesen, dass marokkanische MigrantInnen- und Menschenrechtsorganisationen morgen (Montag) um 16 Uhr zu einer Pressekonferenz einladen – die Fax-Kampagne ist also auch als Unterstützung dieser Aktivitäten gedacht.
Mit besten Grüßen,
NoLager Bremen im Auftrag von Afrique-Europe-Interact

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