19. März 2013 · Kommentare deaktiviert für Marokko, Sidi Ifni – Lanzarote: Erstes Interview eines Überlebenden – von einem Guardia Civil Schiff absichtlich auf dem Meer überfahren · Kategorien: Marokko, Spanien · Tags: ,

Die Guardia-Civil-Täter, die versucht haben, 25 Flüchtlinge nachts auf dem Meer direkt vor Lanzarote umzubringen, geraten allmählich in den Blick der internationalen kritischen Öffentlichkeit. 25 Harragas, unter ihnen Minderjährige, hatten das marokkanische Sidi Ifni auf einem Boot verlassen und versucht, Lanzarote zu erreichen, als ein Patrouillenschiff der Guardia Civil auftauchte. Ein Video dokumentiert, wie das Patrouillenschiff am 13. Dezember 2012 das Flüchtlingsboot überfahren hat: ein Toter wird später gefunden, 6 Harraga werden im Meer vermisst. Eine Dokumentation findet sich unter https://archiv.ffm-online.org/?s=sidi+ifni.

Erstmals wird am 18.03.2013 ein Interview mit einem Überlebenden veröffentlicht, von Al Alam, unter http://www.panoramaroc.ma/fr/voici-ce-qui-sest-passe-sur-la-patera-de-lanzarote-entretien-exclusif-avec-un-survivant/.

Hassan Messiout, 35 Jahre alt, nach Marokko abgeschoben, nachdem das Video auftauchte, das nun die Guardia Civil eindeutig belastet, sagt Folgendes:

“Das Patrouillenschiff, an Bord drei Polizisten, hatte seine Scheinwerfer auf uns gerichtet und uns aufgefordert, anzuhalten. Das haben wir getan. Das Schiff ist um uns herumgefahren, dann hat es mit hoher Geschwindigkeit auf uns zugehalten. Wir sind alle untergegangen, fortgetragen von den Fluten und dem peitschenden Wind. Als ich wieder aufgetaucht bin, habe ich Schreie gehört und das Dröhnen der Motoren des Patrouillenschiffs, das sich von uns entfernt hatte; seine Besatzung blieb abwartend da und beobachtete uns ungefähr eine halbe Stunde lang, während ich mit dem Tode kämpfte, mit Angst und unter Schock, überzeugt, dass ich auf die eine oder andere Art sterben würde.

Frage: Das Patrouillenschiff ist später dann zurückgekehrt, um über die Bootsreste nochmals drüberzufahren, das zeigt das Video, das jetzt diese Affäre auslöst: wie hast du dem zweiten Drüberfahren entkommen können?
Ich war zugleich dermaßen erschreckt und verblüfft, dass ich das nicht beschreiben kann, wovon Sie sprechen, aber im Video ist es klar zu erkennen. Und dann sind die Dinge so schnell passiert. Ich war unter Wasser und war dort lange verblieben, ich nahm die Motorvibration im Wasser wahr. Aber all das ist dann sehr schnell passiert, die Erinnerungen vermischten sich mit meinen Ideen, während ich ja versuchte, wieder an die Oberfläche zu kommen.

Frage: Als du wieder aufgetaucht bist, hast du Körper bemerkt, die auf dem Wasser schwammen?
Als ich wieder auftauchte, habe ich Othmane Touzilte in der Nähe von mir wahrgenommen; er kämpfte, um nicht unterzugehen. Othmane ist 16 Jahre alt. Sein Gesicht war rot, von Blut bedeckt, weil – wie ich später erfahren habe – er schwer am Ohr und am Auge verletzt worden war, und seine Nase war gebrochen. Auch andere Schiffbrüchige waren da, ganz nah, und versuchten sich oben zu halten.

Wie konntet ihr also dem sicheren Tod entkommen? Haben die Polizisten der Küstenwache euch geholfen?
Wir bezweifeln stark, dass sie uns helfen wollten, nachdem sie unser Boot versenkt hatten, und vor allem, weil sie nichts unternahmen, um uns aus dem Wasser zu holen. Sie sind da geblieben, haben zugesehen, eine ganze Zeit lang, so als ob sie warteten, dass wir sterben, so dass sie dann unsere Reste zusammensuchen und Berichte über unseren Tod schreiben konnten, über unser Ertrinken, das sie dem Ozean anlasten würden. Und dann haben sie uns Rettungsbojen zugeworfen, aber weil sie weit weg von uns waren, kamen wir da nicht heran, auch weil wir gegen die Meeresströmungen zu kämpfen hatten. […]“

Anschliessend berichtet er über ihre Festnahmen und ihre Abschiebehaft. Ihnen wurde die Kontaktierung ihrer Familien in Marokko verweigert. Zu dem mörderischen Überfahren durch das Patrouillenschiff wurden sie nicht angehört. Stattdessen wurden sie nach Marokko abgeschoben.

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