Die tunesische Gewerkschaft UGTT hat für den 13.12.2012 zu einem landesweiten Generalstreik aufgerufen. Der letzte Generalstreik, den die UGTT ausgerufen hatte, liegt weit über 20 Jahre zurück. Bei dem Aufstand gegen Ben Ali (17.12.2010 bis 14.01.2011) hatte die UGTT nicht zum Generalstreik aufgerufen. Damals hatte die Gewerkschaftsbasis auf der Seite der Aufständischen gekämpft, während die Gewerkschaftsspitze in enger Verbindung mit dem Ben Ali Regime stand.
Die UGTT würde den aktuellen Generalstreikaufruf nur zurückziehen, wenn folgende Forderungen erfüllt würden:
- Auflösung der Ennahda-Miliz (ligues de protection de la révolution),
- Ermittlungen und Gerichtsprozess gegen die Personen, die am 04.12.2012 den Sitz der UGTT und dort Gewerkschaftsführer wie Aktivisten angegriffen haben, sowie
- Festlegung eines Termins für die nächsten Wahlen.
Auch in Reaktion auf den Angriff der Milizen der Regierungspartei Ennahda haben am 06.12.2012 in den Regionen Sfax, Gafsa, Sidi Bouzid und Kasserine Generalstreiks stattgefunden, mit einer weitgehenden Beteiligung. Es kam in Sfax und anderen Städten während des Generalstreiks zu sehr grossen Demonstrationen, aber nicht zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Die Welle der Empörung und zahlreicher Unruhen wurde in der vergangenen Woche von dem Aufstand in Siliana und der umliegenden Region getragen. Soziale Forderungen in den Regionen, die seit Jahrzehnten völlig vernachlässigt wurden, in denen die Arbeitslosigkeit Rekordhöhen erreicht und in denen die Einkommensmöglichkeiten schwinden, hatten diese Aufstände und Unruhen geprägt. Hinzu kommt die wiederkehrende Forderung nach Freilassung aller, die während der Demonstrationen und Proteste festgenommen wurden, sowie eine Bestrafung der Polizeiveranstwortlichen für die überaus scharfe Repression.
Le Monde schreibt am 07.12.2012, dass die UGTT mit der Ankündigung des Generalstreiks die „islamistische Macht“ herausfordern wird. Die grosse Frage wird aber sein, ob die Unruhen das ökonomische Machtgefüge erschüttern und zunächst eine offene Regierungskrise auslösen können. Die UGTT-Spitze, so melden die Nachrichten-Ticker, befindet sich auch nach dem 05.12.2012 in ständigen Gesprächen mit Regierungsmitgliedern.