21. Juli 2012 · Kommentare deaktiviert für Düsseldorf: Reportage (1) · Kategorien: Allgemein · Tags:

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Zeltlager gegen Flüchtlingspolitik

In Köln haben Hunderte Menschen das „No Border Camp“ errichtet, um auf die Probleme von Flüchtlingen in Deutschland und Europa aufmerksam zu machen. Darunter sind auch Asylbewerber, die eigentlich nicht da sein dürften.

A. wirkt etwas verloren zwischen den gerade aufgebauten Zelten des „No Border Camps“, die in den nächsten Tagen sein Zuhause sein werden. Aber „Zuhause“ – was ist das schon für ihn, der aus der Elfenbeinküste nach Deutschland gekommen ist, um Asyl zu beantragen? In Köln will A. gegen seine Lebensbedingungen protestieren.

Residenzpflicht für Asylbewerber
„Es war nicht leicht, mein Land zu verlassen“, erinnert sich A. „Es war eine Flucht. In meinem Heimatland war Krieg. Ich hatte auch private Probleme.“ Mit dem Flugzeug ist er nach Deutschland gekommen, jetzt soll entschieden werden, ob er bleiben darf. Im Alltag ist er mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert. „Ich wohne in einem Auffanglager. Das Essen ist nicht gut, ich wohne mit vier Leuten auf dem Zimmer, es ist sehr eng. Ich bekomme nur 40 Euro im Monat. Das ist ein unmenschliches Leben“, klagt A.

Seinen Namen und sein Alter will er nicht in den Medien lesen, und auch, wo in Deutschland das Auffanglager liegt, verschweigt er lieber. Grund ist die ihm von den deutschen Behörden auferlegte „Residenzpflicht“. Diese besagt, dass ein Asylbewerber nicht den Landkreis verlassen darf, in dem er registriert ist. Ein Wochenendtrip nach Berlin oder München – für A. undenkbar, weil er damit seine Abschiebung riskieren würde. “ Das ist wie ein Leben im Gefängnis“, sagt er. Auch die Reise nach Köln ist für ihn ein Risiko. Doch die Möglichkeit zu protestieren, ist es ihm wert.

Zehntausende Asylbewerber pro Jahr in Deutschland
Dass Menschen wie A. mit ihrer Reise nach Köln ein hohes Risiko eingehen, weiß auch Maria Sopala, die das Camp mit aufgebaut hat: „Das ist immer der Zwiespalt: Auf der einen Seite wollen wir, dass die Leute herkommen. Auf der anderen Seite können wir ihnen nicht garantieren, dass ihnen keine Repressionen widerfahren.“

Maria Sopala und die anderen Organisatoren wollen mit dem „No Border Camp“ auf die Belange von Asylbewerbern aufmerksam machen. „Wir denken immer sehr aus unserer ‚weißen‘ Position heraus. Ich als ‚weiße Deutsche‘ habe diese Bewegungsfreiheit“, sagt Sopala. „Für viele Menschen trifft dies aber nicht zu. Dazu zählen Menschen, die keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben, oder die ihre Länder verlassen mussten oder wollten.“

Maria Sopala läuft über den Platz und blickt kritisch prüfend zum Himmel: Für die kommenden Tage ist Dauerregen angesagt. Der wird die Camper nicht abschrecken, hofft sie.

Denn das Thema ist ihr wichtig: Zwischen 30.000 und 50.000 Menschen pro Jahr stellen in Deutschland einen Antrag auf Asyl. Bis das Bewerbungsverfahren abgeschlossen ist, vergehen oft Monate. Eine Zeit der Ungewissheit für die Betroffenen, weiß Maria Sopala: „Deren Kämpfe sind ganz alltägliche Kämpfe: Woher bekomme ich etwas zu Essen? Wie bekomme ich eine Verlängerung meiner Duldung? Wie schaffe ich es, meinen Asylantrag durchzubekommen? Sie alle versuchen, sich möglichst unauffällig zu verhalten.“

Protestaktionen, Workshops und Konzerte

Nur wenigen Prozent gelingt es, ihren Antrag auch tatsächlich durchzubekommen. Die meisten anderen werden direkt ins Flugzeug gesetzt und müssen in ihr Heimatland zurückkehren.

Nicht zufällig findet das „No Border Camp“ in Köln statt: Von hier aus wollen die 1000 erwarteten Teilnehmer mehrmals zum nahen Düsseldorfer Flughafen fahren, um sich dort Gehör zu verschaffen. „Unser Schwerpunkt sind die Sammelabschiebungen“, sagt Sopala. „Aus Düsseldorf werden vor allem Sinti und Roma nach Serbien und in das Kosovo abgeschoben.“

15 große Zelte stehen auf der Wiese am Rhein, in Reih und Glied angeordnet. Das größte steht etwas abseits, fällt trotzdem sofort auf: Es ist rund, gelb-rot gestreift und erweckt den Eindruck, als hätte ein Dorfzirkus hier Station gemacht, als würden gleich Ponys und Clowns auftauchen. Stattdessen wird hier über Themen wie „Arbeit, Migration & Anlaufstellen“ oder „Sexarbeit und Migration“ diskutiert. Die Teilnehmer wollen nach Lösungen suchen, wie das Leben von Asylbewerbern in Deutschland und dem Rest der EU verbessert werden kann. Es gibt Vorträge und Workshops, aber auch der Spaß soll nicht zu kurz kommen: Am Wochenende gibt es ein Kulturprogramm und Konzerte.
Hoffnung auf bessere Asylbedingungen
A. sieht den kommenden Tagen mit Zuversicht entgegen. Er hofft, mit dem Lager etwas an der Situation der Asylbewerber ändern zu können. „Ich hätte nicht gedacht, dass Deutschland seine Flüchtlinge so behandelt. Wenn man mir das früher gesagt hätte – ich hätte es nicht geglaubt“, resümiert A.

In ein anderes europäisches Land weiterzuziehen und dort um Asyl zu bitten, ist für ihn nicht möglich. Nach dem sogenannten Dublin-II-Abkommen kann er nur in einem EU-Land Asyl beantragen – dort, wo er das erste Mal europäischen Boden betreten hat. „Ich will nicht das Geld der Deutschen – darum geht es gar nicht“, sagt A. Was er will, ist das, was er als das natürliche Recht eines jeden betrachtet: zu leben und zu arbeiten an einem frei gewählten Ort – wo auch immer in der Welt das ist.

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