Audrey HOC, Le journal du pays basque
Übersetzung: Darja Stocker
Boats4People: Die „Indignados des Meeres“- Für einen freien, solidarischen Mittelmeerraum ohne Tote
7.Juli 2012. Endlich, die „Indignados“ des Meeres sind auf der Fähre, die sie von Palermo nach Tunis bringen wird. Diese neuartigen Empörten setzten sich zum einen aus einer Koalition europäischer Gruppierungen zusammen, die sich für die Rechte der MigrantInnen einsetzen (Gisti, No Border, la Cimade, Arci, All Included, No Borderline Sicilia, Afrique Europe Interact), zum anderen aus verschiedenen Bürgern, die eine internationale Delegation bilden. (Allemands, Tunisiens, Italiens, Français, Néerlandais). Mohamed und ich selbst sind als baskisch-kabylische Bürger und ehrenamtliche Aktivisten von „La Cimade“[1] und „Les Amoureux au ban public.“[2]
Die Ziele des Projekt sind ambitioniert: Ein Netzwerk von Organisationen und AktivistInnen von beiden Seiten des Mittelmeers zu schaffen und darüber hinaus schliesslich die kriminellen politischen Praktiken der Staaten zu bekämpfen, die die Menschenrechte der Migranten auf dem Meer verletzen; Klage erheben gegen diese Staaten, sowie die Nato, Frontex oder ihre Agenten; Delegationsreisen aufs Mittelmeer zu organisieren um die Verstösse gegen die Rechte der „boat poeple“ zu dokumentieren, anzuprangern und vorauszusagen; Schliesslich: Ein Maximum an Mobilisierung zu erreichen, damit das Mittelmeer zu einem Raum der Solidarität wird – und nicht mehr ein Massengrab für die Migrantinnen.
Mehr als 16 000 Tote und Verschwundene in den letzten Jahren[3].
„Boats 4 People“ wird den Mittelmeerraum nicht revolutionieren, aber was hier passiert, ist wunderbar. Diese „Indignados vom Meer“, die ihre kleinen Hände in der Luft schütteln, um sich in ihren Entscheidungen zu bestärken, die haben es geschafft, die Fähre „Zeus Palace“ zur revolutionieren. Sie besetzen Orte – das Unterdeck- um präzise zu sein, organisieren eine Fotoausstellung und verteilen Flugblätter und tauschen sich mit den Passagieren aus. Die Tatsache, dass so viele Sprachen gesprochen werden, macht das Kommunizieren einfach- die arabisch und italienischen Flugblätter bestärken diesen Eindruck. Es ensteht ein beeindruckender Zusammenhalt, alle fühlen sich angesprochen, der Austausch funktioniert. Jede Familie kennt, wenn nicht in ihren eigenen Reihen, dann in ihrer nächsten Umgebung einen „Harraga“, die „Verbrenner“ des Mittelmeers. Nach einem längeren Austausch werden die Interessierten zu einer Konferenz um 17Uhr auf dem Unterdeck eingelanden.
Um 17 Uhr- was für ein Erfolg- sind bereits eine Menge Leute da. Offensichtlich ist es ein rein männliches Publikum, aber die Mission ist nur schon deswegen geglückt, weil eine grosse Zahl tunesischer Passagiere gekommen ist. Jeder von ihnen bringt seinen Anteil an die Sache mit: Seine Zeugenaussage – und die Emotionen sind da.
Ein grosser Erfolg und eine Premiere auf einer Touristenfähre.
Aber die Überfahrt der Fähre ist nicht die einzige Aktion von „Boats4People“ in diesem Juli 2012. Es folgen Vernetzungstreffen und Konferenzen in Tunesien, in Tunis selbst und am 13.Juli in Monastir, aber auch am 19.Juli in Lampedusa, jener Insel der traurigen Berühmheit, wohin die meisten Boote auslaufen.
Auch davor hat schon Einiges stattgefunden, Anfang Juli in Cecina, Italien, sowie auch am 5. und 6. Juli in Palermo. Als wir am 5.Juli in Parlermo waren, haben wir an den Begegnungen und gemeinsamen Essen im geteilten Viertel Santa Chiara teilgenommen, gleich neben dem Afrikanischen Viertel und Zufluchtsort für MigrantInnen in Sizilien. Der Abend vom 6.Juli hat seinerseits die Promenade von Palermo mitgeprägt: Mit brennenden Kerzen in Gedenken an die 16 000 Toten im Mittelmeer. Parallel dazu fährt ein wiederhergestelltes Segelboot, die „Oloferne Oloferne“ Etappe für Etappe ab, um seine Rolle als „Kontrolleur der Migrationskontrolleure“, die im Projekt „Boats4people“ als eine Aufgabe definiert wird, auszuführen.
Was uns selbst befrifft kündigt sich nun als nächste Etappe Tunesien an, ein Land, das gerade erst aus der Revolution herausgekommen ist und wo diejenigen, die diesen schönen Sieg bewerkstelligt haben, nun eine bessere Zukunft anstreben…. woanders vielleicht…
[1] (http://www.cimade.org/)
[2] (http://amoureuxauban.net/) (Anm.d.Übers: Die Organisation setzt sich für die Rechte von binationalen Ehen ein. Angelehnt an das Chanson „Les amoureux des bancs publics von „Die Verliebten der öffentlichen Bänke“ von Georg Brassens wurde der Titel umgewandelt in „Die Verliebten im öffentlichen Bann“)
[3] (anm.d.Übers. zw.1993 und 2011, Quelle UNHCR)