05. Juli 2012 · Kommentare deaktiviert für B4p – Bericht aus Palermo (1) · Kategorien: Italien · Tags: ,

Bericht Palermo 05.07.2012

Der heutige Tag hat auf Versammlungen einen Überblick zu den Abschiebeknästen auf Sizilien gebracht: Es gibt zwei Abschiebeknäste in Trapani, in der Nähe von Palermo: Vulpitta und Milo. Das sind die sogenannten Centro di Identificazione ed Espulsione (C.I.E.). Milo gilt als die „Mutter der C.I.E.“, weil es das erste Modell gewesen war. Die Anstalten sind geschlossen konzipiert, die Leute sind also eingesperrt. Es sind kaum oder gar keine Flüchtlinge mehr untergebracht, die gerade in Italien angekommen sind, sondern vor allem TunesierInnen, die eine Aufenthaltserlaubnis haben. Nach Verbüssen einer Haft z.B. wegen Drogenvergehen sollen sie abgeschoben werden, und dafür werden sie in der C.I.E. inhaftiert. Dort bleiben sie ohne Perspektive, da die tunesische Regierung nicht einwilligt, sie „zurückzunehmen“. Vor allem diese wegen Straftaten Verurteilten gehen immer wieder auf die Barrikaden. Das ist der Hintergrund der regelmäßigen Aufstände in Vulpitta und Milo. Vulpitta ist derzeit wegen Bauarbeiten geschlossen.

Ein paar Details:

– Nur 47% aller Insassen der C.I.E. werden abgeschoben, alle anderen bleiben mit ungewissem Ausgang drin.

– Das größte Lager ist Mineo mit 1.600 Leuten, im Süden Siziliens. Mineo ist eine Sammeleinrichtung für diverse Haftanstalten, es gibt auch ein C.I.E. darin. Die anderen Anstalten unterstehen teilweise dem Zivilschutz, teilweise dem Innenministerium. Im Gegensatz zu Vulpitta gibt es aber auch Insassen, die das Lager verlassen können. Die nächste Stadt, Catania, ist 12 Kilometer entfernt.

– Es gab in Italien eine grosse Debatte, ob z.B. JournalistInnen das Recht haben, Knäste und Lager zu aufzusuchen. Das wurde jetzt theoretisch gestattet.

– Morgen geht eine Delegation von hier nach Milo. Es wird ein Abgeordneter reingehen, der zwei BegleiterInnen dabei hat. R. wird mitgehen, da dort fast nur TunesierInnen sind.

– Die Bevölkerung hier ist eher teilnahmslos, was die Kämpfe um Migration angeht. Das betrifft auch unsere Aktivitäten. – Es gibt in Palermo diverse migrantische Communities, z.B. aus dem Sudan oder Bangladesh. Die sind hier seit Jahren und haben eine Aufenthaltserlaubnis, arbeiten prekarisiert oder sind selbständig.

Heute morgen um halb 10 Uhr kam das Boot „Oloferne“ im Hafen an. Die Aktion ist angemeldet, die Hafenverwaltung hat einen besseren Liegeplatz nicht am Steg, sondern am Kai locker gemacht. Uns, die wir schon hier sind, haben sie mit zwei Transpis und Gerufe empfangen – klein und unspektakulär, aber nett (https://archiv.ffm-online.org/2012/07/05/b4p-fotos-palermo-05-07-2012/). Es fahren etwa ein Dutzend Leute mit. Heute Abend sind wir an der Piazza Santa Chiara in einer ehemaligen kirchlichen Notaufnahmestelle für MigrantInnen. Den ganz ruhigen, zentralen Ort haben wir vorher mit Ausstellung und Transpis verschönert. Es sollen am Abend acht Leute reden, darunter zwei für migrantische Gruppen, ansonsten JuristInnen aus Italien oder AktivistInnen. Morgen Abend gibt es eine Veranstaltung am nahen, städtischen Strand mit vielen vielen Kerzen, um auf die Ertrunkenen aufmerksam zu machen. Wegen des peacigen Charakters ist die nicht angemeldet. Neben zwei weiteren Booten sollte auch die „Oloferne“ dafür in Sichtweite herausfahren. Wegen der Hafenregeln wird das aber nix.

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