Quelle: Zeit Online
Ungarn gilt plötzlich vielen EU-Staaten als Beweis, dass Zäune Flüchtlinge aufhalten und Abschottung gelingen kann. Doch das ist ein Irrtum.
Von Philip Faigle, Ungar
In einer Nacht Ende Februar, als Europa seine Grenzen nach und nach schließt, wird Reza Salah* von lauten Stimmen geweckt. Es ist Mitternacht im Lager von Šid, ein Flüchtlingscamp in Serbien nahe der ungarischen Grenze. Taschenlampen leuchten in die Zelte, in denen die Flüchtlinge dicht gedrängt liegen, neben Reza schläft seine Frau Sarah*. „Raus“, rufen die uniformierten Männer. Es sind Beamte der serbischen Polizei. „Wir bringen euch nach Deutschland“.
Das Paar greift seine Taschen, Salah schlüpft in eine Sportjacke. Die Nacht ist Ende Februar beißend kalt. Vor dem Eingang des Camps warten Busse mit laufendem Motor. Die Polizisten treiben die Flüchtlinge in die Fahrzeuge, Kinder, Familien, an Bord ist auch eine schwangere Frau. Als sie durch die Dunkelheit fahren, zückt Salah sein Smartphone und schaut auf Google Maps: Der kleine blaue Punkt bewegt sich Richtung Norden. Direkt auf die ungarische Grenze zu.