07. November 2016 · Kommentare deaktiviert für Österreich: „Doskozil will mehr Soldaten für Schutz der EU-Außengrenze“ · Kategorien: Balkanroute, Europa, Österreich, Türkei · Tags: ,

Quelle: kurier.at

Der Minister sieht die Türkei auf dem Weg in die Diktatur. Er fürchtet eine neue Flüchtlingswelle und will mit Amtskollegen die Grenzen schließen.

Längst kommen wieder irregulär mehr Flüchtlinge von der Türkei nach Griechenland und weiter nach Zentraleuropa. Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat sich die Zahl zuletzt mehr als verdreifacht. Landeten im Sommer im Schnitt 50 Flüchtlinge auf Ägäis-Inseln, so waren es am vergangenen Freitag rund 160 Asylsuchende.

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil nennt im KURIER-Gespräch gleich mehrere Gründe für diese neue Flüchtlingswelle, die laut Prognosen zunehmen wird: „Die EU-Flüchtlingspolitik greift nicht. Frontex, die EU-Behörde für den Außengrenzschutz und die Küstenwache, kann die Aufgaben mit dem viel zu geringen Personal absolut nicht erfüllen.“

Scharfe Worte richtet der Minister an die Türkei: „Dieses Land ist am direkten Weg in die Diktatur. Journalisten werden willkürlich verhaftet. Die Todesstrafe soll dort eingeführt werden. Gleichzeitig droht die Türkei, das Flüchtlingsabkommen mit der EU aufzukündigen. Wir lassen uns von der Türkei sicher nicht länger drohen.“

Gespräche aussetzen

Vor dem Hintergrund der türkischen Drohkulisse und der dramatischen Verschlechterung der Menschenrechtslage und der Pressefreiheit verlangt Doskozil, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei „sofort auszusetzen“.

Der SPÖ-Politiker ist äußerst skeptisch, dass der Flüchtlingsdeal mit der Türkei überhaupt hält. „Ich habe immer gesagt, das Abkommen ist fragil. Wir dürfen uns nicht auf die Türkei verlassen, sondern wir müssen in der Lage sein, die Flüchtlingspolitik selbst zu organisieren und die Außengrenzen wirksam zu schützen. Die Zeit dafür, das zu tun, wird immer knapper.“

Mehr oder weniger offen erklären EU-Diplomaten in Brüssel, dass der Deal tot sei, weil von Anfang an ein wichtiger Teil der Vereinbarung, nämlich die Rückführung illegaler Migranten aus Griechenland in die Türkei, nicht funktioniert. Rund 700 Flüchtlinge sind seit März, dem Inkrafttreten des Abkommens, von Griechenland in die Türkei zurückgeschickt worden. Das liegt daran, dass Athen die Türkei nicht – wie vereinbart – als „sicheren Drittstaat“ behandelt. Und zudem Beamte auf griechischen Inseln fehlen, um die Verfahren zu bearbeiten.

Initiative ergreifen

Für Doskozil ist es nun höchste Zeit, selbst den Außengrenzschutz zu verstärken. Aus diesem Grunde lädt er heute, Montag, seine Amtskollegen aus Zentraleuropa zu einer Sicherheitskonferenz ins burgenländische Frauenkirchen ein.

Ressortchefs aus der Slowakei, Tschechien, Ungarn, Polen, Slowenien, Kroatien, Serbien, Mazedonien und Montenegro reisen an, um Maßnahmen gegen die illegale Migration und gegenseitige Unterstützung zu vereinbaren. Doskozil skizziert den Sinn des Treffens: „Wir wollen ein klares Signal setzen, dass wir in der Lage sind, eine neuerliche Flüchtlingswelle zu unterbinden. Es muss unser erstes Ziel sein, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren.“ Warnend fügt er hinzu: „Wenn ich sage, dass sich die Ereignisse des Jahres 2015 nicht wiederholen dürfen, ist das keine Leerformel.“

Entsende-Gesetz

Der Verteidigungsminister geht davon aus, dass der Einsatz von Soldaten – wie an der ungarisch-serbischen Grenze (vergangene Woche wurden 65 Soldaten nach Ungarn verlegt) – nicht die letzte Entsendung sein wird. Weitere bilaterale Missionen zum Außengrenzschutz sind nicht ausgeschlossen.

Die Bundesregierung hat im Rahmen ihres neuen Sicherheitspakets bereits beschlossen, dass Einsätze an der EU-Außengrenze möglich sind. Bisher hatten solche Einsätze ausschließlich einen humanitären Fokus, künftig soll auch der Grenzschutz möglich sein. Damit Österreich im Ernstfall rasch Soldaten für den Schutz der Grenze einsetzen kann, „benötigt es jetzt zeitnah einen Beschluss im Parlament“, verlangt Doskozil.

Kommentare geschlossen.