12. November 2013 · Kommentare deaktiviert für Rüstungsexport in die Vereinigten Arabischen Emirate · Kategorien: Deutschland, Golfstaaten · Tags:

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Mit Diktatoren in den Krieg (II)
(Eigener Bericht) – Mit der Lieferung eines Minenlegers setzt Deutschland die Aufrüstung der Vereinigten Arabischen Emirate fort.
Wie die Kieler Nachrichten berichten, hat die Rendsburger Werft Nobiskrug mit der Erprobung des Kriegsschiffes begonnen, das speziell für flache Küstengewässer wie diejenigen des Golfstaates konzipiert worden ist. Die Emirate gehören seit den Zeiten der rot-grünen Bundesregierung zu den hauptsächlichen Käufern deutschen Kriegsgeräts außerhalb der NATO; der Westen rüstet sie gemeinsam mit Saudi-Arabien und Qatar auf, um am Persischen Golf ein Gegengewicht gegen Iran zu schaffen. Teheran wird das Potenzial zur Vormacht im Mittleren Osten zugeschrieben, seit sein traditioneller Rivale Irak 2003 machtpolitisch ausgeschaltet wurde. Berlin sichert sich Einfluss am Persischen Golf zudem durch eine umfassende „Strategische Partnerschaft“ mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, die auch eine enge Militärkooperation mit der Golfdiktatur umfasst – gemeinsame Kriegsübungen inklusive.

An der Straße von Hormuz
Die Rendsburger Werft Nobiskrug hat mit der Erprobung eines Mehrzweckschiffs für die Marine der Vereinigten Arabischen Emirate begonnen. Wie die Kieler Nachrichten berichten, ist das Schiff eigens für flache Küstengewässer wie diejenigen des Golfstaates konzipiert worden. Es sei „für den Einsatz als Minenleger bestens geeignet“, urteilt das Blatt. Auch die Versorgung „von Stützpunkten auf den vorgelagerten Inseln“ sei mit ihm problemlos möglich.[1] Die genannten Inseln liegen unweit der Küste Irans an der Straße von Hormuz, die den Persischen Golf mit dem Indischen Ozean verbindet und zu den strategisch wichtigsten Meerengen weltweit gehört. Der Bundessicherheitsrat soll den Verkauf des Schiffes an die Vereinigten Arabischen Emirate schon im Jahr 2011 genehmigt haben. Die Waffensysteme an Bord werden dem Bericht zufolge erst im Empfängerland montiert. Die Nobiskrug-Werft, die regelmäßig Instandhaltungsarbeiten für die deutsche Marine verrichtet, ist im Jahr 2009 von dem emiratischen Unternehmen Abu Dhabi Mar übernommen worden. 2010 hat sie angekündigt, wieder in den Marineschiffbau einzusteigen, den sie in den 1960er Jahren eingestellt hatte. Der neue Minenleger für die Emirate ist ihr erstes Kriegsschiff seit rund 50 Jahren.

Gegengewicht gegen Iran
Die Vereinigten Arabischen Emirate haben sich in den letzten Jahren zu einem Schwerpunktland deutscher Rüstungsexporte entwickelt. Bis Ende der 1990er Jahre waren die deutschen Lieferungen von Kriegsgerät an das Land recht gering; sprunghaft stiegen sie nach dem Überfall auf den Irak, mit dem der traditionelle regionale Rivale Irans machtpolitisch ausgeschaltet wurde. Hintergrund der Lieferungs-Steigerung war, dass der Westen sich bemühte, die arabischen Golfdiktaturen zum neuen regionalen Gegengewicht gegen Teheran zu rüsten, um Iran am Aufstieg zur regionalen Vormacht zu hindern. Bereits 2005 waren die Emirate der drittgrößte Abnehmer deutscher Waffen außerhalb der NATO; 2009 waren sie sogar zweitgrößter Käufer deutschen Kriegsgeräts überhaupt, unmittelbar nach den Vereinigten Staaten. Die Bundesrepublik hat ihnen bislang unter anderem 32 Spürpanzer „Fuchs“ und zwei Minenjagdboote geliefert; mehrere hundert emiratische Panzer haben deutsche Motoren und deutsche Getriebe.[2] Letztes Jahr hat sich Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière bei einem Besuch in den Emiraten für den Verkauf von bis zu 60 „Eurofighter“-Kampfjets eingesetzt. Die Golfdiktatur gilt nicht nur als wichtiger Verbündeter, sondern wegen ihres Erdölreichtums auch als zahlungskräftiger Kunde: Auf der Weltrangliste der Waffenimporteure belegte sie im Zeitraum von 2008 bis 2012 Platz neun.

Strategische Partnerschaft
Die deutschen Rüstungsgeschäfte mit den Emiraten sind Teil einer umfassenden Kooperation, die ebenfalls kurz nach dem Überfall auf den Irak eingeleitet wurde und gleichermaßen darauf abzielt, die arabischen Golfdiktaturen gegen Iran zu stärken. Vor rund zehn Jahren – im September 2003 – setzte mit einer Kurzvisite des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau in Abu Dhabi ein überaus reger Reiseverkehr ein, in dessen Rahmen im Oktober 2003 mit Gerhard Schröder erstmals seit 1981 ein Bundeskanzler die Golfdiktatur besuchte. Die sich verdichtenden Verhandlungen mündeten im April 2004 in die offizielle Ausrufung einer „Strategischen Partnerschaft“ zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Seither boomen nicht nur die Geschäfte – die Emirate haben sich zum wichtigsten Abnehmer deutscher Exporte in der arabischen Welt entwickelt und kauften 2012 deutsche Produkte im Wert von fast zehn Milliarden Euro. Berlin hat darüber hinaus auch seine bildungs- und kulturpolitische Einflussarbeit intensiviert. Im Januar 2009 haben sich beide Seiten schließlich geeinigt, regelmäßig auch politische Konsultationen der beiden Außenministerien durchzuführen. Die Kooperation bezieht nicht zuletzt die emiratischen Repressionsapparate ein: Schon 2005 vermeldete die deutsche Botschaft in Abu Dhabi, man habe „eine intensive Zusammenarbeit in nahezu allen polizeilichen Bereichen vereinbart“.

Gemeinsame Manöver
Teil der „Strategischen Partnerschaft“ ist eine systematische militärische Kooperation. Am 24. April 2005 unterzeichneten beide Seiten eine „Vereinbarung über die Zusammenarbeit im militärischen Bereich“; im selben Jahr wurden die Emirate – im Rahmen der sogenannten Istanbul Cooperation Initiative – ganz offiziell zum Partnerstaat der NATO. Die deutsche Botschaft in Abu Dhabi führt als Beispiele für die militärische Zusammenarbeit die „Ausbildungsunterstützung durch die Bundeswehr“, den „Austausch von Fachdelegationen“ sowie die „Durchführung gemeinsamer Übungen“ an. Nicht zuletzt beteilige sich die deutsche Luftwaffe schon „seit Oktober 2007 an der fliegerischen Hochwertausbildung des ‚Advanced Tactical Leadership Course‘ am ‚Air Warfare Center'“ der emiratischen Luftstreitkräfte.[3] Tatsächlich haben deutsche Soldaten bereits mehrfach an Manövern in den Emiraten teilgenommen, die mögliche Kriegsszenarien am Persischen Golf zum Gegenstand hatten. Zuletzt trainierte die Luftwaffe gemeinsam mit – unter anderem – emiratischen und saudi-arabischen Militärs für den Fall, dass „in der Golf-Region“ ein „befreundete(r) Staat (…) angegriffen“ werde. „Im Mittelpunkt der Übung“ habe die „Planung und Führung“ gemeinsamer Luftoperationen gestanden, hieß es anschließend bei der Bundeswehr (german-foreign-policy.com berichtete [4]).

Rüstungsexporte
Ergänzend beteiligen sich deutsche Unternehmen und Militärs regelmäßig an der internationalen Rüstungsmesse IDEX in Abu Dhabi [5] – schließlich benötigen die Vereinigten Arabischen Emirate für die Militärkooperation auch das entsprechende Kriegsgerät. „Die deutsche wehrtechnische Industrie“ setze „auf partnerschaftliche Kooperation“ und beteilige sich „substantiell“ an IDEX, heißt es bei der Botschaft Berlins in Abu Dhabi. „Die Bundeswehr war regelmäßig auf den IDEX hochrangig vertreten“; das untermauere „den Willen des Bundesministers der Verteidigung zur strategischen Partnerschaft (…) auch auf dem Gebiet der Rüstungskooperation“.[6] Deutsche Waffenschmieden – etwa die Nobiskrug-Werft – können dementsprechend immer wieder äußerst lukrative Aufträge aus den Emiraten verzeichnen, die die jüngst ebenfalls boomenden Waffenkäufe aus Qatar und Saudi-Arabien begleiten.[7]

Im Keim erstickt
Über die soziopolitischen Verhältnisse, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten herrschen, informieren nicht nur Menschenrechtsorganisationen, sondern etwa auch das Bonn International Center for Conversion (BICC), das seit Jahren die Aufrüstung des Landes analysiert. „Die Menschenrechtslage ist durch eine starke Einschränkung der wesentlichen Freiheitsrechte (…) gekennzeichnet“, heißt es beim BICC; stark reglementiert seien nicht zuletzt die Pressefreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Versammlungs- und Koalitionsfreiheit. „Ein Recht auf Wahl oder Abwahl der Regierung gibt es nicht“, hält das BICC fest; der „Grad der Diskriminierung von Ausländern“ sei „hoch, Menschenhandel, insbesondere von Kindern und Frauen“, werde „von der Regierung toleriert oder zumindest nicht effektiv unterbunden“. Als größtes „Sicherheitsproblem“ würden weithin „die Beziehungen zwischen den Staatsbürgern der VAE, die weniger als ein Drittel der Einwohner ausmachen, und den Ausländern aus Südasien und anderen arabischen Ländern“ angesehen, die als Wanderarbeiter in den Emiraten tätig sind. Bisher habe es zwar noch „keine nennenswerten Proteste“ gegeben; dies liege allerdings „nicht zuletzt daran (…), dass jeder Ansatz dafür systematisch im Keim erstickt wird“.[8] Zu den Bereichen, in denen die Bundesrepublik im Rahmen ihrer „Strategischen Partnerschaft“ besonders eng mit den Emiraten kooperiert, gehört die „innere Sicherheit“.

[1] Nobiskrug testet Minenleger für Abu Dhabi; Kieler Nachrichten 11.11.2013
[2] Bonn International Center for Conversion: Länderportrait Vereinigte Arabische Emirate, April 2013
[3] Sicherheits- und militärpolitische Zusammenarbeit; www.abu-dhabi.diplo.de
[4] s. dazu Deutsch-arabische Manöver und Mit Diktatoren in den Krieg
[5] s. dazu Hoflieferant autoritärer Regime, Gegen den Trend und Mit dem G36 gegen das G3
[6] Sicherheits- und militärpolitische Zusammenarbeit; www.abu-dhabi.diplo.de
[7] s. dazu Hegemonialkampf am Golf, Ein Stabilitätsfaktor, Panzer für die Diktatur und Mit dem G36 gegen das G3
[8] Bonn International Center for Conversion: Länderportrait Vereinigte Arabische Emirate, April 2013

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