02. August 2013 · Kommentare deaktiviert für US-Strategiewechsel: Obama setzt wieder auf arabische Despoten – Spiegel Online · Kategorien: Ägypten · Tags:

Strategiewechsel in der Arabien-Politik: Obama setzt wieder auf Despoten

http://www.spiegel.de/politik/ausland/kerry-und-obama-die-usa-verteidigen-den-putsch-in-aegypten-a-914541.html

Aus Kairo berichtet Raniah Salloum

„US-Präsident Obama macht eine radikale Kehrtwende: Zu Beginn des Arabischen Frühlings unterstützte er die Revolutionäre – jetzt setzt er wieder auf Autokraten. Gegenüber Ägypten verhält sich die US-Regierung besonders zynisch.

Vier Wochen lang ließ Präsident Barack Obama die Welt im Unklaren darüber, wie die USA die Absetzung des Islamisten Mohammed Mursi in Ägypten am 3. Juli bewerten würden. „Wir werden nicht sagen, ob es ein Militärputsch war oder nicht, wir werden einfach nichts sagen“ – so fasste ein US-Beamter die amerikanische Position in der „New York Times“ zusammen.

Es war zu erwarten, dass die Offiziellen in Washington das Wort „Putsch“ niemals aussprechen würden. Denn sonst hätten die jährlichen milliardenschweren Zahlungen an Kairo eingestellt werden müssen, die hauptsächlich ans Militär gehen.Dennoch überrascht es, wie deutlich John Kerry sich jetzt zur Lage in Ägypten geäußert hat. Durch das Militär sei die Demokratie wiederhergestellt worden, sagte der US-Außenminister während eines Besuches in Pakistan. Die Armee habe auf ausdrücklichen Wunsch von „Millionen und Abermillionen Menschen“ gehandelt

[…] Obama vollzieht gegenüber den arabischen Revolutionsländern eine radikale Kehrtwende. Er hatte sich früh und begeistert auf die Seite der Aufständischen gestellt, als in Tunesien, Ägypten, Libyen, im Jemen und in Syrien Massenproteste gegen die herrschenden Autokraten rührten. Im Mai 2011 hielt er eine wegweisende Rede.

„Es wird die Politik der USA sein, Reformen in der Region zu fördern und den Übergang zu Demokratie“, sagte Obama damals. Es war eine deutliche Kritik an der Nahost-Politik seiner Vorgänger: Sie hatten gerne brutalen Autokraten geholfen, so lange diese nur den Kampf gegen den Terrorismus unterstützten.

„Gesellschaften, die durch Angst und Repressionen zusammengehalten werden, mögen die Illusion von Stabilität vermitteln für eine Zeitlang. Aber sie sind auf Sollbruchstellen gebaut, die letzten Endes auseinanderbrechen“, sagte Obama.

Doch jetzt agiert Obama wie seine Vorgänger – der US-Präsident wird von der Realpolitik eingeholt. Zuerst ließ man sich im Jemen auf einen Kompromiss mit dem autoritären Machtapparat ein, dann in Syrien und nun in Ägypten.

Im Land am Nil verhalten sich die USA besonders zynisch. Washington unterstützt, wer auch immer gerade der Mächtigste zu sein scheint. Als Mohammed Mursi rücksichtslos seine Politik durchboxte, hörte man von den Amerikanern nichts. Dabei hatte Obama in seinen Nahost-Reden immer wieder betont, dass zu Demokratie mehr gehöre als Wahlen – eine Tatsache, die das Islamistenlager gerne ignoriert.

Die Äußerungen Kerrys klingen jetzt wie blanker Hohn. Am 3. Juli, dem Tag der Absetzung Mursis, wären sie noch verzeihbar gewesen. Doch seit dem Putsch wurden unter Militärchef Abd al-Fattah al-Sisi rund 250 islamistische Demonstranten getötet und ein Verfassungsdekret erlassen, das keinerlei demokratischen Grundprinzipien entspricht. Es gibt sich nicht einmal den Hauch eines demokratischen Deckmäntelchens – die den Putsch unterstützenden Politiker und Gruppen wurden vom Militär dazu nicht einmal konsultiert.

Viele führenden islamistischen Politiker wurden seitdem verhaftet. Sie werden ohne Prozess und ohne Kontakt zu einem Anwalt an unbekannten Orten festgehalten. Im Hintergrund werden Anklagen gegen sie vorbereitet, die frei erfunden sind.[…] Auch auf dem Nahda-Platz vor der Universität von Kairo, wo die Mursi-Anhänger seit einem Monat campieren, kam die Botschaft Obamas an. Die Enttäuschung ist groß. „Wie Kaugummi haben sie uns Demokratie und Freiheit vorgekaut“, sagt der 38-jährige Hussam Scharaff, ein muskelbepackter Salafist aus Gizeh über den Westen und Ägyptens Liberale. […]“

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