25. Juli 2013 · Kommentare deaktiviert für Frankreich, Roma: Rassistischer Vernichtungswillen eines Abgeordneten · Kategorien: Frankreich · Tags:

„Entlarvende Bemerkung eines französischen Lokalpolitikers

Rassistische Verbalattacken auf Fahrende

Ein französischer Bürgermeister und Parlamentsabgeordneter hat sich in einem Streit mit Fahrenden zu einer rassistischen Äusserung hinreissen lassen. Der Vorfall beleuchtet schlaglichtartig ein verbreitetes Ressentiment in Frankreich.

[…] Der Bürgermeister der westfranzösischen Stadt Cholet, Gilles Bourdouleix, hat im Zorn einen Satz ausgesprochen, der ihn teuer zu stehen kommt: «Vielleicht hat Hitler nicht genug (von euch) umgebracht», sagte er halblaut zu einer Gruppe von Fahrenden, über welche er sich als Gemeindevorsteher enervierte. Doch der schockierende Satz war laut und deutlich genug, dass er anschliessend von sämtlichen elektronischen Medien in Frankreich ausgestrahlt worden ist. Ein Reporter der Lokalzeitung «Le Courrier de l’Ouest» hatte nämlich sein Aufnahmegerät dabei und das Wortgefecht aufgenommen. […] Seine Ressentiments gegen Fahrende waren längst bekannt. […] Bourdouleix ist auch Abgeordneter der Nationalversammlung. […] Zum Teil wird auch bewusst kein Unterschied gemacht zwischen den Fahrenden, die in ihrer grossen Mehrheit seit mehreren Generationen französische Staatsbürger sind, und den aus Rumänien und Bulgarien eingereisten Roma-Familien. Mit illegal errichteten Lagern dieser aus den EU-Staaten Eingewanderten, die mit ähnlichen Vorurteilen konfrontiert sind, hat Frankreich andersgeartete Integrationsprobleme als mit den Fahrenden, die sich selber von den ausländischen Roma abgrenzen. 2010 hatte der damalige Präsident Sarkozy für grosses Aufsehen gesorgt, als er eine härtere Gangart gegen ausländische Roma ankündigte. Mehr als tausend von ihnen wurden damals innerhalb weniger Wochen in ihre Herkunftsländer abgeschoben. […]

Mit seiner Äusserung hat der Bürgermeister von Cholet indes auch einen wunden Punkt der französischen Vergangenheitsbewältigung berührt. Nur eine Wegstunde entfernt befand sich im Ort Montreuil-Bellay während des Zweiten Weltkriegs eines von rund dreissig Internierungs- und Deportierungslager für offiziell als asozial deklarierte Obdachlose.

Zu den verdrängten historischen Fakten zählt auch, dass ein Teil dieser Lager bereits vor der Ankunft der deutschen Truppen vom französischen Staat betrieben und oft auch erst 1946 geschlossen wurden. Von den Inhaftierten, die nicht in ein Konzentrationslager deportiert wurden, starben viele wegen der unmenschlichen Haftbedingungen. Bourdouleix‘ Anspielung auf Hitler müssen in diesem geschichtlich vorbelasteten Kontext als besonders geschmacklos gewertet werden.“

nzz 25.07.2013

http://www.nzz.ch/aktuell/international/auslandnachrichten/rassistische-verbalattacken-auf-fahrende-1.18122296

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