27. Mai 2013 · Kommentare deaktiviert für Demo Asyl, Berlin 25.05.2013 – Rede Berliner Gruppe Projekt B4P · Kategorien: Deutschland · Tags: ,

Berliner Gruppe im Rahmen vom Projekt B4P

rede asyl 2013 05 25

Die faktische Abschaffung des Asyl-Grundrechts in Deutschland und die rassistischen Verschärfungen im Inneren gingen einher mit dem Aufbau der Festung Europa nach Außen. Seit den 80er Jahren entwarfen die Innenministerien Westeuropas ihre Vision einer kontinentalen Neuordnung: Europa soll sich mit „Pufferstaaten“ umgeben. Dahinter lägen dann Armutszonen, Kriegsgebiete und Hungerregionen. Dort sollten dann – laut dem deutschen Innenministerium – „verfolgungssichere Zonen“ errichtet werden.

Die Demontage des deutschen Asylrechts lief also schon lange vor dem 26. Mai 1993. Kurz vorher fand die heftigste Festnahme- und Abschiebewelle im Nachkriegseuropa statt. 300.000 bis 400.000 Menschen wurden in zumeist improvisierte Lager gesteckt, die meisten in aller Kürze abgeschoben. Viele von ihnen waren Roma, die vor Pogromen und einer plötzlichen Armut aus Rumänien flohen. Der Motor dieser brutalen Kampagne lag im deutschen Innenministerium; deren praktisches Zentrum an der Oder-Neiße-Grenze. Die Vorverlagerung der Abschottung bedeutete dann: 120 Millionen DM gab die Bundesregierung nach Polen, damit die Regierung dort Lager und Abschiebeknäste aufbauen konnte. Die „Pufferstaaten“ Polen und Tschechische Republik übernahmen nach und nach das restriktive Schengen-Regime, erließen ebenfalls rassistische Ausländergesetze und begannen ihrerseits, die Ostgrenzen abzuschotten.

Danach ging es Richtung Balkan, Türkei, Libanon und Nordkurdistan. Der damalige Innenminister Kanther diffamierte Flucht und Migration als „kriminell organisierte Wanderungsbewegungen“, die vom neu aufgestellten Bundesgrenzschutz aufs Korn genommen wurden. Die in Deutschland lebenden Communities aus der Türkei, dem Kosovo und dem Libanon wurden in einem beispiellosem Ausmaß abgehört und elektronisch erfasst: Das war die sogenannte „Routenfahndung“ des deutschen Innenministeriums.

Im Nachhinein müssen wir sagen, dass wir damals nicht begriffen, dass die Kanthersche Hetzthese von den „kriminell organisierten Wanderungsbewegungen“ nicht nur Flüchtlinge, sondern auch das migrantische Kleingewerbe in Deutschland unter dem Verdacht der „Organisierten Kriminalität“ ins Visier nahm. Aus heutiger Sicht, angesichts der NSU-Mordserie gegenüber willkürlich ausgewählten migrantischen Besitzern kleiner Läden, erscheint dies als staatliche Matrix, in der die Mörder ungestört agieren konnten.

Ab 2001 begann die Aufrüstung der südeuropäischen Außengrenzen der EU. Die Hetze gegen Flüchtlinge wurde islamophobisch und zum Bestandteil des globalen Antiterrorismus. Mit der Gründung der EU-Agentur Frontex 2004 setzte die Europäisierung des Grenzregimes ein. Damit begann die letzte Phase der Vorverlagerung der Abschottung.

Geopolitisch geriet nun Nordafrika in den Blickpunkt. Die EU unterstützte die dortigen Regime und drückte Maßnahmen durch, die man bis dahin für unwahrscheinlich gehalten hatte: Die südlichen Mittelmeerstaaten stellten die nichtgenehmigte Ausreise unter Strafe. Sie fahndeten, wie besonders im Tunesien Ben Alis, nach Ausreisewilligen mit dem Arsenal des Antiterrorismus. Und sie bekamen von EU-Staaten Patrouillenboote, Überwachungssoftware und Fahndungs-Knowhow. Damals wie heute half die deutsche Bundesregierung mit Finanzhilfen und Ausbildungsmaßnahmen durch ihre Polizeien und Geheimdienste.

Die Folge war eine immer riskantere Reise über das Mittelmeer: Über 18.000 Tote wurden an EU-Außengrenzen registriert, die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein. Eine weitere Hochrüstung droht nun mit dem neuen Grenzüberwachungssystem EUROSUR. Das westliche Mittelmeer soll mit einem Netz von Drohnen, Satelliten und Radarstationen ausgespäht werden.

Doch wie lange wird es möglich sein, ein solch unmenschliches Grenzregime aufrechtzuerhalten? An dem die Einkommensmöglichkeiten für dieselbe Arbeit wie eine Schere im Verhältnis 10:1 auseinander gehen? An dem sich die meist jungen Erwachsenen aus den Armutsregionen trotzdem weiterhin auf die Überfahrt begeben?

Die Festung Europa ist zwar hochgerüstet wie nie zuvor, die grenzüberschreitenden Flucht- und Migrationsbewegungen lassen sich davon aber nicht aufhalten. Eine der Antworten hieß Aufstand. Als Ben Ali im Januar 2011 floh, brachen auch die Kontrollen der Küstenwache zusammen. Und eine weitere Antwort kommt aus dem Süden Europas: Die Arbeitslosen und Arbeitenden, die Indignados und Occupy-Leute – sie wollen sich nicht zur Peripherie degradieren lassen. Wir sehen dort einer Zeit der Unruhen entgegen.

Die Vorverlagerung der Abschottung scheitert an den Aufständen im Süden. Es ist dieses Klima des Umbruchs das uns bewog, die Festung Europa auch von innen heraus anzugreifen. In einem neu verstandenen Internationalismus wollen wir die EU-Außengrenzen durchlässiger machen. Letztes Jahr haben wir uns dafür am Projekt „Boats for people“ beteiligt, um an die Toten im Mittelmeer zu erinnern und dem mörderischen Grenzregime auf die Finger zu klopfen. Wir wollen dabei vor allem jene nicht vergessen, die nach der Schließung von Flüchtlingslagern (wie in Choucha im Süden Tunesiens) ohne weitere Unterstützung bleiben.

Es gibt hoffnungsvolle Ansätze des direkten Zusammenlebens der Verarmten, Flüchtlinge und MigrantInnen, beispielsweise in „Inseln der Solidarität“ in Griechenland. In Süditalien gibt es Dörfer, in denen kurdisch-italienische Gemeinschaften entstehen. Flüchtlinge bringen ihren Protest bis in die Zentren des EU-Krisenregimes.

Wir wollen deshalb dick unterstreichen:

Keine Grenze ist für immer!

Freedom of movement! No Border!

Sicherheitsarchitekturen einstürzen!

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