13. Mai 2013 · Kommentare deaktiviert für Syrien: adopt@revolution, Newsletter 13.05.2013 · Kategorien: Syrien · Tags: , ,

Liebe AbonnentInnen des Newsletters, liebe Syrien-Interessierte,

die wachsende regionale Krise – humanitär wie politisch – bestimmte diese Woche die Schlagzeilen. Es ging Angst um, das syrische Regime bzw. die Hisbollah könnten nach den Bombardierungen bei Damaskus eine militärische Antwort gen Israel senden. Der zunehmende Stellvertreterkonflikt zwischen Israel und Iran/Hisbollah auf syrischem Boden beunruhigt sowohl westliche wie auch arabische Beobachter. Die Hisbollah bekennt sich zudem immer offener zu ihrer eigenen Agenda in Syrien. Assad selbst gibt Hisbollahs Entschlossenheit als Vorbild für Syrien aus und erklärte den Golan zur neuen Front im anti-imperialistischen Kampf. Zur „anti-imperialistischen“ Rhetorik Assads haben Aktivisten aus Daraa eine eigene Meinung. Die Karikatur zeigt den verletzten Assad mit einem Protestplakat gen Israel: „Wer seinen Freund bombardiert, ist ein Verräter!“, https://www.facebook.com/photo.php?fbid=649345538413838&set=a.577102632304796.142533.574016929280033&type=1

Die UN-Ermittlerin Carla del Ponte verkündete Anfang der Woche, die syrischen Rebellen hätten Chemiewaffen in Syrien eingesetzt – nicht das syrische Regime. Diese Anschuldigungen sollen auf Indizien fußen. Die UN distanzierten sich noch am gleichen Tag von diesen ungesicherten Aussagen – das syrische Regime nutzte die taktische Vorlage del Pontes gern für seine Propaganda. Die USA wechseln zwischen der Definition „roter Linien“ und verschieden starken Anschuldigungen gegenüber Assads Regime. Mittlerweile warnen Experten: Die Zeit zur gesicherten, unabhängigen Ermittlung der Chemiewaffenvorwürfe verstreiche zusehends.

Eine diplomatische Initiative Russlands und der USA soll noch im Mai eine politische Lösung für Syrien näherbringen. Eine Konferenz auf der Grundlage von Genf (2012) soll die innersyrischen Parteien an den Verhandlungstisch (zurück)bringen. Russland und die USA zeigen sich an der Eindämmung des Konfliktes mal wieder einmütig interessiert, nur die Wege dorthin bleiben unterschiedlich wie eh und je. Beobachter werten nach zwei Jahren des Auseinanderdriftens von Opposition und Regime die Chancen für solch eine Konferenz und deren Auswirkungen auf Syrien recht marginal. Wer in der Opposition ist bereit, mit Assad und dem Regime zu verhandeln? Wer wird vom Regime in solche Finten vorgeschickt? Zudem wirken in Syrien längst Akteure, die sich an solche Konferenzen nicht gebunden fühlen. Aktuell scheinen nur die Stellvertreterkonflikte in Syrien wohlauf. Ärzte ohne Grenzen vermeldete diese Woche, mehr als 8 Millionen Syrer in In- und Ausland seien mittlerweile auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das Gesundheitssystem in Syrien sei weitgehend zusammengebrochen.

Die kürzlichen Massaker von Banyas, deren Opfer in die Hunderte gehen, hallen in Syrien auch in den Freitagsprotesten nach. International blieben diese Massaker ohne große Beachtung – tragischerweise übertönten die Bomben auf Damaskus das Morden an der syrischen Küste. Regimetreue Milizen werden für die Massaker verantwortlich gemacht. Raniah Salloum (SPIEGEL Online) porträtiert einen der vermutlichen Drahtzieher der Kampagne von Banyas: http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-mihra-ural-kaempft-fuer-baschar-al-assad-a-899061.html. Ein vormals türkisch-arabischer Linksextremist taucht derzeit als graue Eminenz des syrischen Küstengebiets aus der Versenkung auf.

Die Spannungen zwischen der Türkei und Syrien wachsen nach den tödlichen Anschlägen im türkischen Reyhanli, bei denen mehr als 40 Menschen starben. Die türkische Regierung sieht lokale Kontakte des syrischen Regimes als Drahtzieher. Der Grenzort Reyhanli beherbergt zehntausende syrische Flüchtlinge; kurz nach den Explosionen gab es Ausschreitungen lokaler Einwohner gegen syrische Flüchtlinge, die Lage in der Grenzregion Türkei/Syrien ist mehr als angespannt. Die Schäden von Reyhanli dokumentierten auch die syrischen LCCs – viele Aktivisten sind schließlich in die Türkei geflüchtet: https://www.facebook.com/media/set/?set=a.655456894481450.1073742125.217848338242310&type=1

Im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind diese Woche auch Aktivisten von Adopt a Revolution unterwegs. Erste Eindrücke aus dem türkischen Antakya sind im Reiseblog nachzulesen: https://www.adoptrevolution.org/reiseblog-wahlen-per-chat/. Eine syrische Aktivistin legt dar, wie man per Chat basisdemokratisch wählt. Not macht eben erfinderisch – und penibel.

Die Menschenrechtsaktivistin und Mitgründerin der LCCs, Razan Zeitouneh, schreibt in einem ausführlichen Beitrag über die Rolle der Frauen in den Komitees: https://www.adoptrevolution.org/die-frau-in-den-lokalen-koordinationskomitees-die-unbekannte-variable/. Obwohl der Einsatz der Frauen keineswegs marginal ist, wird deren Arbeit von den männlichen Kollegen nicht adäquat gewertet oder ihnen angemessene Repräsentation eingeräumt. Zeitouneh fordert einen Wandel und geht auf Gründe des bestehenden Missverhältnisses in den LCCs ein.

Über den Aufbau neuer ziviler Strukturen in Syrien berichtete Al-Jazeera Net am Beispiel Duma, Umland Damaskus. Eine Übersetzung des Berichts hier: https://www.adoptrevolution.org/schritte-in-richtung-einer-zivilen-verwaltung-in-syrien-gemeinderate-organisieren-das-offentliche-leben-in-den-befreiten-gebieten/

Die Demonstrationen letzten Freitag fasst das LCC in seinen Notizen zusammen: https://www.facebook.com/LCCSy?sk=notes. Banyas, Israel/Syrien und die Chemiewaffenvorwürfe dominierten die Proteste thematisch. Szenen aus Aleppo gibt es hier: https://www.facebook.com/media/set/?set=a.458490174243051.1073741853.291990414226362&type=1. In der Provinz Hassakeh haben die Proteste noch musikalischen Schwung: https://www.youtube.com/watch?v=KIv24m37sT8. In Al-Assali/Damaskus wurde die syrische Rhetorik gegenüber Israel verspottet, das internationale Schweigen zu Banyas verurteilt sowie der Fortgang der Revolution beschworen: http://www.youtube.com/watch?v=-NpHhgez_yw&feature=youtu.be.

Kommentare geschlossen.