15. Dezember 2012 · Kommentare deaktiviert für b4p WTM Veranstaltung Berlin 19.12.2012 · Kategorien: Nicht zugeordnet · Tags: ,

“Watch the Med” – Das Sterben im Mittelmeer beenden
Mit Charles Heller (Genf) und Lorenzo Pezzani (London)
vom Projekt “Forensische Ozeanographie“ an der Goldsmith University

Mehr Menschen als je zuvor sind im Laufe des vergangenen Jahres im Mittelmeer ertrunken, als sie versucht haben, nach Europa zu gelangen. Viele tausend Menschen sind gestorben, obwohl die Staaten Europas das Gebiet mit größtem Aufwand überwachen. Doch ihre Satelliten, Aufklärungsflugzeuge und Patrouillenboote sind nicht im Einsatz, um Menschen zu retten, sondern um Menschen fernzuhalten. Ihr Tod wird dabei in Kauf genommen.

Als sich Anfang 2011 mit den revolutionären Umbrüchen in Nordafrika einige Tausend der so genannten Harragas (zu deutsch„Grenzverbrenner“) mit Booten auf den Weg Richtung Europa machten, reagierte die EU in der Meerenge vor Sizilien mit einer Verschärfung der Kontrollen durch die Grenzschutzagentur Frontex. Die Verweigerung von Rettungsmassnahmen gegenüber Schiffbrüchigen und mehrfach dokumentierte „Left-to-die-Boote“ belegen, dass das „Sterben lassen“ zur EU-Abschreckungsstrategie im unerklärten Krieg gegen Flüchtlinge gehört. Das Grenzregime der Friedensnobelpreisträgerin von 2012 kostete alleine im letzten Jahr über 2000 Boatpeople das Leben. Zur Rechenschaft gezogen wird für die Tragödien, die diese Politik produziert, meist niemand.
Dieser mörderischen Abschottungspolitik will „Watch the Med” (zu Deutsch etwa ‘Beobachte das Mittelmeer’ (Mediterranean)) ein alternatives Alarmsystem entgegen setzen, um die Rettung von Boatpeople in Seenot zu erzwingen. Das interaktive Monitoring- und Kartenprojekt, wurde im Juni 2011 am Londoner Goldsmith-College als Untersuchung in Form einer “forensischen Ozeanographie“ begonnen. Im Fall eines „Left-to-die-Bootes“, das die europäischen Grenzschützer sich selbst überlassen hatten, wurden mittels Karten- und Satellitentechnologie die Umstände des Todes von 63 Boatpeople rekonstruiert. Die so gewonnenen Erkenntnisse waren Grundlage für ein laufendes Strafverfahren gegen die Verantwortlichen.
Doch „Watch the Med“ will nicht bloß die in den vergangenen Jahren üblich gewordene Straflosigkeit bei bewussten Menschenrechtsverletzungen auf See angreifen. Das Projekt zielt auf Echtzeitinterventionen, sobald Boatpeople in Seenot geraten. Das setzt nicht nur ein funktionierendes Notrufsystem und eine entsprechende Ausrüstung der betroffenen MigrantInnen voraus. Grundlage ist vor allem ein handlungsfähiges zivilgesellschaftliches Netzwerk auf beiden Seiten des Mittelmeeres, das den notwendigen politischen Druck erzeugt.
Auf Einladung des und als Teil des Boats4People-Netzwerkes werden Charles Heller und Lorenzo Pezzani das Projekt vorstellen und seine Herausforderungen skizzieren. Denn „Watch the Med“ braucht Unterstützung auf vielen Ebenen: Aus akademischer wie aktivistischer Perspektive, mit technologischem Wissen, mit Geld und vor allem mit Erfahrungen aus den migrantischen Communities.
Am 18. Dezember 1990 beschloss die UN die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Migranten. 2000 rief die UN diesen Tag offiziell zum “Tag der MigrantInnen” aus. Seit einigen Jahren bemühen sich MigrantInnenorganisationen um eine kritische Aneignung des Datums: in diesem Jahr zirkuliert ein Aufruf unter dem Titel „We migrate to live. No more deaths, no more missing people“, mit dem die tödlichen Grenzregime der nördlichen Staaten, insbesondere die USA und Europa, angeklagt werden. Unsere Veranstaltung will sich auch diesem Aufruf anschließen.
Mittwoch, 19. Dezember 2012, 19.30 Uhr
K-Fetisch, Wildenbruchstraße 86

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