Von Florian Schmid
Das stille Vordringen des Alltäglichen
Der Soziologe Asef Bayat hat eines der lesenswertesten Bücher über die Protestbewegungen im Nahen Osten verfasst
nd 28.11.2012
http://www.neues-deutschland.de/artikel/805691.das-stille-vordringen-des-alltaeglichen.html
Die Menschen in Tunesien oder Ägypten, die sich gegen ihre Obrigkeit auflehnten, gehörten keiner politischen Organisation an. Sie sind illegale Straßenhändler, zapfen Stromleitungen an, bauen Häuser auf städtischen Brachen. Asef Bayat beschreibt in seinem Buch, wie normale Leute den Nahen Osten veränderten.
Als sich der junge tunesische Händler Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 aus Protest gegen die autoritäre Obrigkeit selbst anzündete, konnte niemand absehen, dass sich innerhalb kurzer Zeit eine ganze Welle von Aufständen im Nahen Osten ereignen würde. Einen Monat brauchten die Tunesier, um Präsident Ben Ali aus dem Amt zu jagen, achtzehn Tage die Ägypter, um Mubarak zu stürzen. Woher kam dieser plötzliche Ausbruch politischer Handlungsmacht, die ohne erkennbare Organisation und Führung die gesellschaftlichen Verhältnisse in mehreren autoritär geführten Ländern ins Wanken brachte? Dieser Frage geht der Soziologe Asef Bayat in seinem Buch »Leben als Politik – wie ganz normale Leute den Nahen Osten verändern« nach. Darin schlüsselt er die sozialen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen auf, die den revolutionären Erhebungen vorangingen.Der 1954 geborene Bayat erlebte als junger Mann die iranische Revolution, ging ins Exil, lehrte lange an der Universität Kairo und arbeitet derzeit an der Uni von Illinois. Von den zahlreich erschienenen Büchern über die Protestbewegungen in der arabischen Welt ist Bayats Beitrag einer der lesenswertesten. Er verbindet Zeitgeschichte mit praxisorientierter soziologischer Theorie und wirft einen differenzierten Blick auf den Nahen Osten.