Quelle: NZZ
Nur scheinbare Normalität auf Lesbos
Auf den griechischen Ägäisinseln hat der Migrationsdruck nachgelassen. Doch schafft der Pakt mit der Türkei unhaltbare Zustände.
von Marco Kauffmann Bossart, Mytilene
Der Ausnahmezustand in Mytilene ist beendet. Im putzigen Hafen der Inselhauptstadt von Lesbos, wo vor kurzem noch Hunderte von Flüchtlingen in langen Kolonnen für Fähren-Tickets nach Piräus anstanden oder vor ihren Zelten Feuer gegen die Kälte entfachten, nimmt das Leben wieder seinen gewohnten Lauf. Einheimische sitzen in Cafés, eine ausländische Wandergruppe marschiert gutgelaunt und zielstrebig der Hafenpromenade entlang.
Gleichwohl sind die Spuren der Flüchtlingskrise, die Lesbos wegen seiner Nähe zum türkischen Festland mit voller Wucht traf, allgegenwärtig. Flankiert von der «Protector», einem Patrouillenboot der britischen Küstenwache, ankern an der Hafenmole konfiszierte Schiffe. In die «Bl. Foca» oder die «Amiralin», zwei schäbige Fischerboote, pferchten Schleuser über 200 Flüchtlinge. Im unteren Deck zeugt ein Durcheinander oranger Schwimmwesten von der gefährlichen Überfahrt.