19. November 2016 · Kommentare deaktiviert für Höchste Zahl an Abschiebungen seit 2003 erwartet · Kategorien: Deutschland · Tags:

Quelle: Spiegel-Online | 18.11.16

Deutschland könnte in diesem Jahr so viele Menschen abschieben wie zuletzt vor mehr als zehn Jahren. Fast drei Viertel der Betroffenen stammen aus Westbalkanstaaten.

Bei der Zahl der Abschiebungen aus Deutschland zeichnet sich einem Zeitungsbericht zufolge der höchste Wert seit Jahren ab. Bis einschließlich September dieses Jahres seien 19.914 Menschen ausgewiesen worden, berichtet die „Rheinische Post“ unter Berufung auf Unterlagen der Bundespolizei.

Im gesamten Jahr 2015 sind es knapp 21.000 Abschiebungen gewesen. Bis zum Ende des Jahres könnten die Zahlen Schätzungen zufolge auf 26.500 steigen. So hoch war die Quote zuletzt im Jahr 2003.

Mit Abstand am häufigsten würden Illegale und abgelehnte Asylbewerber aus den Westbalkanstaaten abgeschoben, heißt es in dem Bericht. Albanien, der Kosovo, Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro machten mit 14.529 Abschiebungen bis September fast drei Viertel aller Fälle aus.

Die Zahl der Abschiebungen von aus Syrien stammenden Asylbewerbern hat sich dem Bericht nach mit 426 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Auch Abschiebungen von Afghanen nähmen zu. Seien es im vergangenen Jahr noch 178 gewesen, so seien es bis einschließlich September bereits 199. Die meisten davon würden in andere EU-Länder oder Drittstaaten gebracht.

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siehe auch: Telepolis

Bundespolizei erwartet höchste Zahl an Abschiebungen seit 2003

Fast Dreiviertel aller Fälle machen Abschiebungen in Westbalkanstaaten aus

Thomas Pany

Als Bundeskanzlerin Merkels Popularitätswerte im Spätsommer wegen der Flüchtlingspolitik in den Keller fielen und Kritiker in der Union Oberwasser hatten, verkündete sie in einer Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion: Für die nächsten Monate sei „das Wichtigste Rückführung, Rückführung und nochmals Rückführung“.

Dies war vor allem eine Richtungsansage und eine Wahlkampfvorgabe. Abschiebungen sind in der Realität problematisch, worauf Menschenrechtsorganisationen stets verweisen. Verwaltungstechnisch sind sie mit großem Aufwand verbunden, dazu kommt, dass die Rückführungen in manchen Staaten aus mehreren Gründen schwierig sind.

Das zeigt sich nun auch in den Unterlagen der Bundespolizei, aus denen die Rheinische Post zitiert. Daraus geht hervor, dass es bis einschließlich September dieses Jahres 19.914 Abschiebungen gegeben hat. Das ist zwar beinahe schon die Zahl, die im gesamten letzten Jahr erreicht wurde (20.888). Aber das ist auch weit entfernt von den Hunderttausenden, die Unionspolitiker forderten, um sich populär zu machen.

Schätzungen zufolge rechnet die Bundespolizei laut Medienbericht damit, dass die Zahlen bis Ende des Jahres auf 26.500 steigen. „So hoch war die Quote zuletzt 2003“, schreibt die Zeitung. Dem folgt eine Auflistung, die darlegt, dass Abschiebungen in die Westbalkanstaaten die mit Abstand häufigsten sind. Fast Dreiviertel aller Fälle machten Abschiebungen nach Albanien, dem Kosovo, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro aus. Bis September zählt die Bundespolizei demnach 14.529 Abschiebungen in die Länder. Die Rücknahmevereinbarungen mit diesen Ländern sind für die Regierung nicht allzu schwer. Deutschland ist ein wichtiges EU-Land.

Anders sehen die Zahlen für Afghanistan und Syrien aus. Sie nehmen zu, sind aber im dreistelligen Bereich. 426 Personen wurden bis September nach Syrien abgeschoben, 199 Personen nach Afghanistan. Die wenigsten davon müssen in ihr Heimatland zurückkehren, heißt es dazu. Lediglich 27 Afghanen mussten nach Afghanistan ausreisen. Die übrigen seien in andere EU-Länder oder Drittstaaten gebracht worden.

Der CSU-Politiker Söder hatte Ende August die Rückführung mehrerer Hunderttausend Flüchtlinge nach Afghanistan und Syrien gefordert – mit Verweis auf das Bundesinnenministerium, wonach es Afghanistan und Syrien „bereits heute sichere Gebiete“ gebe.

Nicht angesprochen hatte Söder, dass Afghanistan derzeit mit einer großen Rückführungsaktion von Flüchtlingen aus Pakistan und Iran zu kämpfen hat. Nach jüngsten Berichten hat Afghanistan über eine Million Rückkehrer aus diesen Ländern aufgenommen. Zudem kann man das Land, in dem die Taliban ihre Herrschaftsgebiete vergrößern, schwerlich als „sicheres Herkunftsland“ bezeichnen.

Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken geht das Innenministerium aber weiter davon aus, dass Flüchtlinge aus Afghanistan, deren Asylantrag abgelehnt wurde, dorthin abgeschoben werden können. Risiken müssten im Einzelfall geprüft werden, generell gelte: „Eine Verschlechterung der Sicherheitslage im gesamten Land kann nicht bestätigt werden.“ Zum Stichtag 30. September waren laut Antwort der Bundesregierung rund 12.539 Afghanen ausreisepflichtig.

Die Linke-Abegordnete Ulla Jelpke bezeichnete die Einschätzung der Bundesregierung als „erbärmliche Schönrednerei„:

„Der Rückgang der Schutzquote um mehr als 25% für afghanische Flüchtlinge ist signifikant und verantwortungslos zugleich. Offenbar ist die Bundesregierung wider besseres Wissen bereit, den Flüchtlingen den Schutz zu verweigern, um sie in das Kriegsgebiet zurückzuschicken. Doch eins ist klar: Abschiebungen nach Afghanistan führen in ein kollabierendes Bürgerkriegsland. Sie bedeuten für die Betroffenen ein hochgradiges Risiko für Leib und Leben durch Taliban, NATO-Bomben und korrupt-gewalttätige Sicherheitskräfte gleichermaßen. Das ist absolut unverantwortlich.“

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