Wir wollen morgen ab 09.00 Uhr vor der Vertretung des Freistaates Sachsen beim Bund (Brüderstraße 11, 10178 Berlin) an Khalid Idress gedenken und gleichzeitig eine transparente sowie lückenlose Aufklärung des Verbrechens fordern. Denn trotzdem am Dienstagmorgen Anwohner_innen den zwanzigjährigen Geflüchteten tot in einer Blutlache gefunden haben sollen, meldete die Polizei zunächst, dass von „keiner Fremdeinwirkung“ auszugehen ist. – Bis 18.00 Uhr besteht die Möglichkeit dort Kerzen und Blumen abzulegen. – Der zwanzigjährige Khaled Idris Bahray wurde am Montag in Dresden getötet!
Aufruf zur Demonstration
In Gedenken an Khaled Idris Bahray
Gegen den rassistischen Normalzustand!
Sonntag, 18. Januar 2015, 14.00h, Hermannplatz, Berlin
Khaled Idris Bahray wurde in der Nacht auf den 13. Januar in Dresden erstochen. Am Dienstag Morgen wurde er im Hof der Wohnanlage, in der er lebte, tot aufgefunden. Sein Körper war blutüberströmt, dennoch leugnete die Polizei zunächst, dass es eine Fremdeinwirkung gegeben habe. Es brauchte erst die Obduktion am folgenden Tag, damit die Behörden bestätigten, was seine Mitbewohner_innen und Freund_innen von Anfang an gesagt hatten: Khaled Idris Bahray wurde ermordet.
Seine Mitbewohner_innen und Freund_innen hatten sich bereits am Abend Sorgen gemacht, sie hatten sich aber aufgrund der laufenden Pegida-Demonstration nicht aus dem Haus getraut, um nach ihrem Freund zu suchen. Bereits bei vorherigen Aufmärschen von Pegida war gegen die Tür der Unterkunft getreten, mehrfach waren rassistische Parolen gerufen worden. Aufgrund dieser erlebten Bedrohungen gingen sie von Anfang an von einem rassistischen Mord aus.
Wir gedenken Khaled Idris Bahray und solidarisieren uns mit seinen Freund_innen und Mitbewohner_innen. Wir sind entsetzt, traurig und wütend über diesen Mord! Auch wenn wir nicht wissen, wer ihn umgebracht hat, bereits die unzähligen widerlich rassistischen Kommentare, die die Meldungen zu seinem Tod begleiteten wären Grund genug auf die Straße zu gehen, ebenso wie die erneute Verschleierungstaktik der Polizei. Es ist unerträglich, dass die Freund_innen des Ermordeten laut und deutlich sagen, dass sie einen rassistischen Hintergrund vermuten und Polizei und Medien dies einfach ignorieren.
Spätestens seit der Selbstenttarnung des NSU ist deutlich geworden, dass deutsche Behörden Rassismus als Tatmotiv in der Regel ausblenden. Dies zeigte sich bereits vor wenigen Wochen, als – ebenfalls nach einer Pegida-Demo – eine Gruppe Jugendlicher von einem bewaffneten rassistischen Mob durch ein Dresdner Einkaufszentrum gehetzt und zum Teil schwer verletzt wurde. In diesem Fall verweigerte die Polizei sogar die Aufnahme einer Anzeige und behauptete, die betroffene Jugendliche habe sich die Tat nur ausgedacht.
Diese Taten reihen sich ein in eine umfassende rassistische Mobilisierung: In ganz Deutschland entstehen rassistische Zusammenschlüsse. Übergriffe auf Geflüchtetenunterkünfte, Privatwohnungen und antirassistische Initiativen nehmen massiv zu.
Täglich werden Menschen aus rassistischen Gründen angepöbelt, bedroht und verletzt. So wurde am 08. Januar in Berlin-Köpenick die neueröffnete Geflüchtetenunterkunft unter dem Ruf „wir fackeln euch alle ab“ mit Flaschen attackiert. Solche Angriffe schaffen massive Bedrohungsszenarien; Betroffene in ganz Deutschland berichten, dass sie sich nicht mehr auf die Straße trauen. Diese realen Sorgen und Ängste um Leib und Leben werden in der deutschen Öffentlichkeit, in Politik und Medien nicht wahrgenommen. Diskutiert werden stattdessen in aller Breite die vermeintlichen „Sorgen und Ängste“ der Pegida-Demonstrant_innen, der zahlreichen Bürgerinitiativen gegen Geflüchtetenunterkünfte oder der ‚besorgten Anwohner‘. Politiker_innen von der CSU bis zur Linkspartei plädieren immer wieder dafür, die „Sorgen und Ängste“ der ‚Bürger‘ ernst zu nehmen und benennen sie nicht als das, was sie sind: Rassistische Vorstellungen von Menschen, die vermeintlich nicht zur deutschen Gesellschaft gehören.
Diese Mobilisierungen müssen dabei vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Rassismus in Deutschland verstanden werden. Dieser entspringt aus der Vorstellung einer ‚deutschen Volksgemeinschaft‘, die sich bedroht sieht durch den Zuzug von vermeintlich ‚Anderen‘. Deshalb werden in Sachsen Sondereinheiten gegen „straffällige Asylbewerber“ eingerichtet, statt gegen rassistische Gewalt. Deshalb verschärfen die verantwortlichen Parteien die Repression gegen selbstorganisierte Strukturen von Refugees, beispielsweise gegen die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin oder den Hungerstreik in München, statt Geflüchteten ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Die rassistischen Mobilisierungen auf der Straße fallen innerhalb dieses gesamtgesellschaftlichen rassistischen Klimas auf fruchtbaren Boden.
Mit dem Wissen darum sowie vor dem Hintergrund der Pogrome der 90er Jahre und der Morde des NSU blicken wir erschrocken und entsetzt auf den Mord an Khaled Idris Bahray. Lasst uns Trauer und Wut Ausdruck verleihen und zusammen gegen Rassismus auf die Straße gehen. Denn Rassismus tötet immer wieder!
Kampagne Deutschland demobilisieren der NFJ Berlin
Wir freuen uns wenn ihr diesen Aufruf weiterverbreitet oder mit einem eigenen Aufruf zur Demo mobilisiert.
ARI Berlin – Antirassistische Initiative e.V.c/o Allmende
Kottbusser Damm 25-26
10967 Berline-mail: mail@ari-berlin.org
Internet: www.ari-berlin.org
Flüchtling erstochen
Dresden: Polizei informiert nur zögerlich, Mordkommission ermittelt. Atmosphäre der Angst durch Pegida-Aufmärsche
Von Susan Bonath
In Dresden ist ein Flüchtling ermordet worden. Anwohner hatten am Dienstag morgen die Leiche des 20jährigen Khalid I. aus Eritrea im Hof eines Mehrfamilienhauses im Stadtteil Leubnitz-Neuostra gefunden. Jetzt ermittelt die Mordkommission, wie die Polizeidirektion Dresden am Mittwoch nachmittag einräumte. Der Dresdner Polizeichef Dieter Kroll bestätigte am Mittwoch schließlich gegenüber der Dresdner Morgenpost: »Nach jetzigem Befund legen wir uns darauf fest, dass ein Messerstich ursächlich für die Verletzung verantwortlich ist. Wir schließen aus, dass es sich um einen Unfall handelt. Es ist ein Tötungsdelikt. Von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen.« Zeugen zufolge hatte der Tote Verletzungen an Hals und Schulter. Eine Obduktion der Leiche soll weitere Aufschlüsse liefern. Ergebnisse würden am Mittwoch abend vorliegen, sagte ein Polizeisprecher auf jW-Nachfrage. Zunächst hatten sich die Beamten abwiegelnd geäußert. Eine offizielle Pressemitteilung zu dem Fall hatte die Direktion nicht herausgegeben. Laut MDR sprach die Polizei am Dienstag abend noch davon, dass es keinen Hinweis auf »Fremdeinwirkung« gebe.
Nach einem Bericht der Sächsischen Zeitung (SZ) hatte das Todesopfer Khalid I. am Montag abend seine Unterkunft in der Innenstadt verlassen und war nicht zurückgekehrt. Freunde und Mitbewohner des jungen Mannes erklärten gegenüber dem Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverband (SDS) Dresden, den Toten »blutüberströmt« vorgefunden zu haben. Sie gehen deshalb von einer gewaltsamen Tötung aus, wie der Verband am Mittwoch informierte. Der 20jährige hatte sich demnach gegen 20 Uhr auf den Weg zum Einkaufen begeben. Sein Mobiltelefon habe er zu Hause gelassen. Das Bündnis »Dresden für alle« hielt am Mittwoch nachmittag eine Trauerkundgebung auf dem Jorge-Gomondai-Platz ab, der nach einem 1991 in Dresden ermordeten Mosambikaner benannt wurde.
Etwa zu der Stunde, als das Opfer seine Unterkunft verließ, ging die Pegida-Demonstration im Zentrum der Stadt zu Ende. Laut Polizei hatten sich diesmal mehr als 25.000 Menschen den selbsterklärten »Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes« angeschlossen. Aus Angst vor diesen Aufzügen verließen die Asylsuchenden montags ihre Unterkünfte kaum noch, informierte der SDS. »Regelmäßig werden sie von Teilnehmern beschimpft und bedroht.« Derzeit stünden sie unter Schock und fürchteten sich vor weiterer Gewalt.
In den vergangenen Wochen kam es während der Pegida-Märsche immer wieder zu Straftaten. Ende Dezember griff eine Gruppe Demonstranten ausländisch aussehende Jugendliche in einem Dresdner Einkaufszentrum an. Mehrere Personen wurden verletzt. In dieser Woche berichtete die Polizei von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Tragen verfassungsfeindlicher Kennzeichen, Beleidigungen und Körperverletzungen im Umfeld der Pegida-Kundgebung.
Vor vier Tagen berichtete Spiegel online, die Dresdner Organisatoren von Pegida hätten im Internet schon vor dem ersten Marsch im Oktober rassistisch gehetzt, Hitlerzitate verbreitet. Ein Organisator sei einstmals in der FDP gewesen, ein zweiter CDU-Stadtrat in Meißen. Während einer Onlineübertragung des Pegida-Marsches letzten Montag durch die Organisatoren liefen immer wieder neofaschistische Parolen, gespickt mit Hakenkreuzen oder »Heil Hitler«-Rufen, über den zugleich aktiven Chat.
Auch ein Hoteleigentümer fühlt sich in Dresden nicht mehr sicher. In seinem Haus im Stadtteil Laubegast wollte er 94 Flüchtlinge unterbringen. Am Dienstag zog er sein Angebot an die Stadt kurzfristig zurück, wie Dresdens Sozialbürgermeister Martin Seidel (parteilos) informierte. Ihm sei auf Facebook mit Gewalt gedroht worden, Unbekannte hätten sein Gebäude mit fremdenfeindlichen Parolen beschmiert.