23. Dezember 2014 · Kommentare deaktiviert für Bulgarien: Massenrückweisung syrischer Flüchtlinge · Kategorien: Bulgarien, Türkei

NZZ

Paul Flückiger, Warschau

„[ …] In der Nacht vom Sonntag auf den Montag sind nach bulgarischen Medienberichten über hundert Flüchtlinge aus dem Irak von der Polizei aufgegriffen und teilweise gewaltsam in die Türkei zurückgedrängt worden. Laut kurdischen Online-Portalen handelt es sich um Jesiden aus dem Irak, die in den türkischen Kurdengebieten Zuflucht gefunden hatten. Die in Bussen angereisten Jesiden sollen am Grenzübergang zwischen der türkischen Ortschaft Kapikule und dem bulgarischen Ort Kapitan Andrejewo versucht haben, die östliche EU-Aussengrenze ohne gültige Reisedokumente zu überqueren. Laut kurdischen Angaben machten die Flüchtlinge die schlechten Lebensbedingungen in den Lagern bei Diyarbakir für ihren Versuch verantwortlich, in ein Land der Europäischen Union zu gelangen.

[…] Im Juli hatte Sofia bekanntgegeben, die Errichtung eines 33 Kilometer langen Grenzzaunes unweit der westtürkischen Stadt Edirne sei abgeschlossen. Die drei Meter hohe, mit Stacheldraht befestigte Anlage sollte laut bulgarischen Regierungsangaben die Flüchtlinge und Migranten dazu bewegen, für die Einreise die offiziellen Grenzübergänge zu benutzen, wie jenen zwischen den Orten Kapikule und Kapitan Andrejewo.

Gleichzeitig sprach man in Sofia aber auch von angeblich sinkenden Flüchtlingszahlen sowie davon, dass man auf diese Weise bei der Grenzpolizei viel Geld einsparen könne. Im Jahr 2013 hatten rund 11 000 Flüchtlinge und Migranten in Bulgarien Asylanträge gestellt, fast ebenso viele waren in diesem Zeitraum festgenommen und wieder abgeschoben worden.

Nachdem es in den Bezirken an der Grenze zur Türkei – die bulgarisch-türkisch Landgrenze ist 271 Kilometer lang und verläuft meist durch hügeliges und unwegsames Gebiet – zu Spannungen zwischen syrischen Migranten und der Lokalbevölkerung gekommen war, beschloss die damalige sozialdemokratische Regierung, den ersten Abschnitt eines Grenzzaunes zu errichten. Inzwischen hat Sofia angekündigt, den Bau weiterer 130 Kilometer videoüberwachten Maschendrahtzauns zu prüfen. […]

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte in einem im April veröffentlichten Bericht kritisiert, dass es Bulgarien nicht einmal gelinge, den Flüchtlingen und Migranten grundlegende humanitäre Hilfe zukommen zu lassen. In den Auffangzentren fehle es an Lebensmitteln und Unterkünften sowie sanitären Einrichtungen, heisst es in dem Bericht. Auch werden Unzulänglichkeiten beim Asylverfahren sowie die langen Wartezeiten auf einen Entscheid bemängelt. […]

Das Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) ruft Bulgarien immer wieder zu einer «Politik der offenen Tür» auf nach dem Vorbild der Türkei. Von den rund drei Millionen Syrien-Flüchtlingen haben Libanon, Jordanien und die Türkei den Löwenanteil aufgenommen. Das UNHCR ermahnt deshalb die EU zu einem grösseren Engagement. Weshalb aber ausgerechnet das arme EU-Land Bulgarien die Hauptlast tragen soll, geht den meisten Bulgaren nicht in den Kopf.“

Kommentare geschlossen.