02. Dezember 2014 · Kommentare deaktiviert für Deutsche und österreichische Polizisten patrouillieren in Italien · Kategorien: Deutschland, Italien

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Lampedusa nun doch ein Vorort von Kiefersfelden

Matthias Monroy

Polizeibehörden aus Deutschland und Österreich patrouillieren in Italien, um unerwünschte Migranten an der Ausreise zu hindern. Die Behörden könnten damit das Schengener Abkommen verletzen

Bereits seit dem 10. November sind deutsche Polizisten in „trilateralen Streifen“ in Norditalien unterwegs, um dort im Grenzgebiet Migranten aufzuspüren. Auch Polizisten aus Österreich sind beteiligt. Die Patrouillen mit den italienischen Grenzbehörden zielen offenbar vornehmlich auf grenzüberschreitende Züge auf italienischem Hoheitsgebiet. Ziel ist laut einer Mitteilung des Bundesinnenministeriums eine „Erhöhung der Kontrolldichte“.

In die Maßnahmen seien die bayerische Polizei, die Bundeszollverwaltung und „weitere Sicherheitspartner sowie die Eisenbahnunternehmen“ eingebunden. Weitere Details, etwa zu deren Tätigkeiten, werden nicht genannt. Fraglich ist auch, auf welcher rechtlichen Grundlage die Patrouillen stattfinden. In jedem Fall muss die italienische Regierung vorher zugestimmt haben. Möglich wäre, die Zusammenarbeit dann über dem „Vertrag von Prüm“ einzufädeln, der grenzüberschreitende Polizeieinsätze in allen Mitgliedstaaten regelt. Auch das Schengener Abkommen enthält entsprechende Bestimmungen.

Gemeinsame „bilaterale Streifen“ im Grenzgebiet sind inzwischen zur Regel geworden, jedoch bezog sich dies in der Vergangenheit stets auf benachbarte Länder. Laut der Mitteilung gehen die „trilateralen Streifen“ auf eine Sitzung der EU-Innenminister zurück, die sich demnach „auf eine gemeinsame Strategie im Umgang mit den wachsenden Flüchtlingszahlen einigten“. Der informelle EU-Rat hatte damals entsprechende Ratsschlussfolgerungen verabschiedet.

Bayern verwechselt EU-Abkommen

Von verstärkten Kontrollen der EU-Binnengrenzen ist in dem Ratsdokument aber gar nicht die Rede. Vielmehr geht es um eine Verpflichtung aller EU-Mitgliedstaaten, von ankommenden Geflüchteten Fingerabdrücke abzunehmen. So ist es im Dublin II-Abkommen geregelt. Der Regierung in Rom wird vorgeworfen, dieser Forderung an seiner Außengrenze zum Mittelmeer nicht in vollem Umfang nachzukommen. In diese Richtung poltert auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der Italien „Asyltourismus“ vorwirft und meint, die italienische Praxis sei ein „krasser Verstoß gegen das Schengener Abkommen“.

Das hat Herrmann aber falsch verstanden: Denn das Schengener Abkommen regelt die Freizügigkeit in der Europäischen Union. Jeder Mensch, unabhängig von seiner Herkunft, hat das Recht die Binnengrenzen ohne Kontrolle zu überqueren. Eine Nachfrage von Telepolis, worin denn der angebliche „krasse Verstoß“ gegen das Schengen-Abkommen bestehen soll, ließ das bayerische Staatsministerium unbeantwortet. So muss sich im Gegenteil der Ministerpräsident den Vorwurf gefallen lassen, durch die Kontrollen in Norditalien selbst das Schengener Abkommen zu verletzen.

Laut dem Bundesinnenminister sei ein weiteres „verstärktes Vorgehen gegen illegale Migration […] angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen dringend erforderlich“. Allerdings setzen Deutschland und Italien mit ihren Vorschlägen ausdrücklich auf die Aufrüstung der Grenzsicherung (Italien will EU-Polizeiposten im Maghreb errichten). Im September hatte der bayerische Ministerpräsident sogar gedroht, Grenzkontrollen zu Österreich wieder einzuführen. Mit Blick auf Italien hatte der CSU-Generalsekretär Scheuer hierzu im September erklärt, „Lampedusa darf kein Vorort von Kiefersfelden werden“. Kiefersfelden ist eine bayerische Stadt mit einem Grenzübergang nach Österreich.

Bis zu zwei Jahre währende Kontrollen der Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten sind möglich, nachdem die EU auf Druck Deutschlands und Frankreichs im vergangenen Jahr das Schengener Abkommen um einen „Notfallmechanismus“ ergänzt hat. Die Grenzposten an Binnengrenzen dürfen wieder in Betrieb genommen werden, wenn ein anderer Mitgliedstaat von zu viel unerwünschter Migration an seiner EU-Außengrenze betroffen ist.

EU will Handel mit Booten in Nordafrika kontrollieren

In den EU-Ratsschlussfolgerungen heißt es außerdem, dass vermehrt mit Libyen, Tunesien und Ägypten zusammengearbeitet werden müsse. So soll etwa der Handel Booten verhindert werden, damit Migranten erst gar nicht in Richtung Europa in See stechen können.

Deutschland verhandelt derzeit ein Polizeiabkommen mit Ägypten, obwohl den dortigen Sicherheitsbehörden von Menschenrechtsorganisationen Folter und Misshandlung vorgeworfen wird. Auch in Libyen und Tunesien ist die Bundesregierung an der Reorganisation des Sicherheitsapparates maßgeblich beteiligt (Deutsche Polizei hilft bei militärischer Grenzsicherung in Libyen). Österreich hatte hingegen eine Initiative „Rettet Leben“ eingebracht, die eine gerechte Umverteilung von Geflüchteten vorschlägt. Diese sollten demnach in den Aufnahmeländern besser integriert werden. Allerdings ist das Papier aus Wien angesichts der zahlreichen Maßnahmen zur Abwehr unerwünschter Migration bedeutungslos.

Laut dem Bundesinnenministerium haben Deutschland, Österreich und Italien vereinbart, die europäischen „Bemühungen zur Eindämmung der illegalen Migration“ durch „weitere konkrete bi- und trilaterale Aktivitäten“ zu ergänzen. Benannt werden diese aber nicht. Der bayerische Innenminister gießt weiter Öl ins Feuer und versteift sich zur Behauptung, die zunehmende Migration sei „ein erhebliches Risiko für die Innere Sicherheit“, da sich unter die Asylbewerber auch leicht „Gewalttäter und Terroristen mischen“ könnten. Einen Beleg für diese Unterstellung liefert Herrmann nicht.

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