28. Juli 2014 · Kommentare deaktiviert für Italien plant EU-Polizeioperation gegen Flüchtlinge · Kategorien: Europa, Italien · Tags: ,

http://www.heise.de/tp/artikel/42/42375/1.html

Italien plant zweiwöchige Polizeioperation gegen Migranten in der gesamten EU

Matthias Monroy
Vom 16. bis 23. Oktober werden an Bahnhöfen, Autobahnen oder Flughäfen „Schwerpunktfahndungsmaßnahmen“ durchgeführt. Mehrere Tausend Polizisten sind im Einsatz

Die italienische Regierung bereitet eine großangelegte Polizeioperation für das gesamte Gebiet der Europäischen Union vor. Damit knüpft Italien an frühere, ähnliche Maßnahmen anderer Länder an. Auf diese Weise fahnden die Polizeibehörden an Verkehrsknotenpunkten nach Migranten ohne Aufenthaltserlaubnis. Solche „Gemeinsamen Polizeioperationen“ („Joint Police Operations“) werden gewöhnlich von jeder der halbjährlich wechselnden EU-Präsidentschaften organisiert. Lediglich Griechenland hatte in seinem kürzlichen endenden EU-Vorsitz keine Operation durchgeführt.


Die EU-weiten Kontrollen sollen die Polizeibehörden der Mitgliedstaaten miteinander vernetzen, um effektiver gegen unerwünschte Migration vorzugehen. Sie werden von der Ratsarbeitsgruppe „Strafverfolgung“ vorbereitet und ausgewertet (Ende der Freizügigkeit im Schengen-Raum). Der jeweilige Vorsitz richtet eine „Koordinierungseinheit“ ein, für Aufgaben und operative Einzelheiten zuständig und diese in einem Einsatzplan fixiert. Nun sollen die Mitgliedstaaten anzeigen, ob und in welchem Umfang sie an der Operation im Oktober teilnehmen wollen. Während frühere „Gemeinsame Polizeioperationen“ lediglich um die fünf Tage dauerten, sind es unter italienischer Leitung schon zwei Wochen.

Die Vorbereitungsgruppe ist auch für die Wahl des Titels verantwortlich: „MOS MAIORUM“ führt wie frühere Operationen einen Namen aus der Geschichte und bedeutet übersetzt etwa „Die Sitten der Ahnen“. Der Terminus meinte die unbedingte Einhaltung von Recht und Ordnung durch die Bürger, damit das alte Rom zur Weltmacht aufsteigen konnte. Das antike „MOS MAIORUM“ schloss auch religiösen und militärischen Gehorsam ein.

Aus dem Bericht über die "Gemeinsame Polizeioperation" PERKŪNAS

Aus dem Bericht über die „Gemeinsame Polizeioperation“ PERKŪNAS.

„Schwerpunktfahndungsmaßnahmen“ ergänzen „Alltagsorganisation“
Kontrollen finden gewöhnlich an Bahnhöfen, Autobahnen oder Flughäfen statt. Insgesamt sind mehrere Tausend Polizisten beteiligt, nicht alle jedoch in den „Schwerpunktfahndungsmaßnahmen“ sondern im Regelbetrieb. Zu dieser „allgemeinen täglichen Dienstausübung“ gehört die Überwachung von Hauptverkehrsrouten. Neu ist, dass nicht nur an den Binnengrenzen kontrolliert werden soll: In der zweiwöchigen Operation „MOS MAIORUM“ werden erstmals auch die EU-Außengrenzen einbezogen.

Frühere „Gemeinsame Polizeioperationen“ waren etwa „MITRAS“, „HERMES“ oder „PERKŪNAS“, wo in Deutschland jeweils um die 1.900 Menschen ohne gültige Papiere festgestellt wurden. Schwerpunkte waren Autobahnen und grenzüberschreitende Bahnverbindungen in Süd- und Westdeutschland. Die Maßnahmen stützen sich auf polizeiliche Informationen und Erkenntnisse aus früheren Einsätzen. Vor ähnlichen, von Zollbehörden durchgeführten Operationen wurden laut dem Bundesinnenministerium auch Anwendungen der „Open Source Intelligence“ eingesetzt, also das Ausspähen offener Informationen im Internet. Mit Data-Mining-Verfahren wurden Informationen aus dem Internet oder Polizeidatenbanken abgeglichen.

In Deutschland wird nach dem Wegfall der Grenzanlagen zwischen den Mitgliedstaaten vor allem entlang der Binnengrenzen und in Zügen kontrolliert. Derartige Kontrollen sollen laut dem „Schengener Grenzkodex“ anlass- und personenunabhängig sein, werden von Betroffen und Bürgerrechtsgruppen aber häufig als rassistisch kritisiert: Denn in den allermeisten Fällen werden Personen aufgrund der Hautfarbe ausgewählt. Ein solches „racial profiling“ ist jedoch nach internationalen Rechtsnormen untersagt und auch deutschen Polizeibehörden verboten.

„Schengener Grenzkodex“ auf Druck von Deutschland mehrfach eingeschränkt
Die nun zur Regel gewordenen „Gemeinsamen Polizeioperationen“ höhlen den „Schengener Grenzkodex“ weiter aus. Dort heißt es, dass die Grenzen an jeder Stelle ohne Anhalt überschritten werden dürfen. Die Staatsangehörigkeit der Reisenden darf dabei keine Rolle spielen. Die Schengen-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, alle Verkehrshindernisse an den Binnengrenzen zu beseitigen. Nur im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit dürfen die Kontrollen temporär wieder eingeführt werden. Bislang war das nur bei besonderen polizeilichen Maßnahmen möglich, darunter die Sicherung von Sportereignissen oder Gipfeltreffen.

Vor zwei Jahren haben sich Deutschland und Frankreich erfolgreich dafür eingesetzt, die Kontrollen der Binnengrenzen auch bei „erheblichen Defiziten beim Schutz der Schengen-Außengrenzen“ einführen zu dürfen (Die verbriefte Reisefreiheit innerhalb der EU ist Geschichte). Die Regelung ist gegen Italien und Griechenland gerichtet und ab diesem Herbst gültig. Sie soll greifen, wenn über die Länder zu viele Migranten einreisen. Ob und in welchen Fällen die deutsche Regierung davon Gebrauch machen will, ist unklar. Bei mehreren Gelegenheiten hat das Bundesinnenministerium jedoch diesen Sommer auf Defizite der italienischen Migrationskontrolle hingewiesen. Moniert wird, dass nicht alle der in Booten über das Mittelmeer Einreisenden ihre Fingerabdrücke abgeben müssen.

Auch die EU-Grenzagentur FRONTEX ist gewöhnlich an den „Gemeinsamen Polizeioperationen“ beteiligt, allerdings nur am Rande. Denn die Behörde ist eigentlich für die Sicherung der EU-Außengrenzen zuständig, Einsätze innerhalb der EU-Mitgliedstaaten sind (außer an Flughäfen) untersagt. FRONTEX erstellt aber regelmäßige Risikoanalysen, in denen Migrationsströme festgestellt, bevorzugte EU-Zielländer ermittelt und Prognosen entworfen werden. Diesmal ist FRONTEX als vollwertiger Partner an Bord. Verstärkte Kontrollen an den Außengrenzen der Europäischen Union werden mit Daten aus dem EU-Inland abgeglichen. So sollen gängige Migrationsrouten, aber auch Fluchthelfer ermittelt werden. In EU-Dokumenten ist hierzu gewöhnlich von „Schleusern“ die Rede, die wegen organisierter Kriminalität verfolgt werden.

Wasserschutzpolizeien und Verkehrspolizeien vernetzen sich ebenfalls
Nachdem die EU, allen voran Italien, die Überwachung des Mittelmeers aufrüstet, weichen viele Migranten wieder auf Landwege über Marokko oder Griechenland aus. Einer der zukünftigen „Hot Spots“ soll laut FRONTEX Bulgarien sein, auch das Schwarze Meer würde zunehmend eine Rolle spielen. Das mag ein Grund dafür sein, warum sich Frankreich, Deutschland und die Niederlande weiterhin gegen die Schengen-Vollanwendung für Rumänien und Bulgarien wehren – denn dann würden auch die dortigen Kontrollen der Binnengrenzen wegfallen.

Mittlerweile kommen die EU-weiten Operationen auch bei anderen Kooperationen der Sicherheitsbehörden in Mode. Ähnlich wie die Grenzpolizeien organisieren sich auch die Wasserschutzpolizeien der Mitgliedstaaten im Netzwerk „AQUAPOL“, die Verkehrspolizeien sind in „TISPOL“ zusammengeschlossen. An Flughäfen tätige Polizeien sind im Netzwerk „AIRPOL“ tätig. Meist sind die Maßnahmen der Netzwerke an der gewöhnlichen Arbeit ausgerichtet, etwa die Kontrolle von Wasserstraßen oder illegaler Müllbeseitigung. Immer werden aber auch unerwünschte Migranten aufgespürt. Im Netzwerk der Eisenbahnpolizeien „RAILPOL“ will Italien jetzt gemeinsame Standards für Kontrollen von Personen und Gepäck in Zügen entwerfen.

Kommentare geschlossen.