05. Februar 2014 · Kommentare deaktiviert für Ägypten, Medienschaffende: Schlimmer als unter Mubarak – NZZ · Kategorien: Nicht zugeordnet

„Kairo schüchtert Medienschaffenden ein

Kaum mehr kritische Kommentare gegen Armee oder Polizei

Kritische Stimmen sind in den ägyptischen Medien fast verstummt. Seit dem Sturz Mursis sind Dutzende von Journalisten festgenommen worden. Vor kurzem wurden zwanzig Mitarbeiter von al-Jazira angeklagt.

Astrid Frefel, Kairo

Man sei extrem besorgt über das zunehmend brutalere Vorgehen und die physischen Attacken auf ägyptische Journalisten, hatte in der vergangenen Woche der Sprecher der Uno-Kommissarin für Menschenrechte erklärt. In den letzten Monaten hätten sich die Berichte über Einschüchterungen und Festnahmen sowie über gewalttätige Attacken auf einheimische und ausländische Journalisten gehäuft. Am Wochenende wurden die Büros von zwei Nachrichten-Netzwerken in Kairo, die für Online-Medien arbeiten, von Beamten der internen Sicherheit durchsucht. Kameras und Computer wurden konfisziert, die Mitarbeiter festgenommen und einen Tag später auf Kaution wieder freigelassen. Eine der betroffenen Organisationen sprach von einer flagranten Verletzung der Meinungsfreiheit.

[…] Die Lage sei schlimmer als unter Mubarak und dem islamistischen Präsidenten Mursi, twitterte der Kolumnist Bilad Fadl, der in den vergangenen Wochen die zunehmende Militarisierung nach der Entmachtung Mursis im Sommer angeprangert hatte. «Ash-Shoruk», eine der wenigen Tageszeitungen, die noch kritische Kommentare veröffentlicht, hatte eine seiner Kolumnen nicht gedruckt. […]

In den Tagen des Verfassungsreferendums und zum Jahrestag der Revolution des 25. Januar hatten sich die Übergriffe auf Journalisten gehäuft. Im Rahmen ihrer Berichterstattung über Proteste oder Kundgebungen wurden Medienleute, die im Verdacht standen, nicht den von den Behörden vorgegebenen Kurs zu vertreten, beschimpft, und ihre Ausrüstung wurde demoliert. Die Polizei verhaftete am 25. Januar fünf Fotojournalisten, zwei weitere mussten verletzt ins Spital gebracht werden. Das international tätige Komitee zum Schutz der Journalisten hatte in seinem Jahresbericht 2013 Ägypten nach Syrien und dem Irak an dritter Stelle genannt, was die Anzahl der getöteten Reporter betrifft. Seit Mursis Sturz sind 5 Journalisten ums Leben gekommen, 45 wurden tätlich angriffen und 44 verhaftet.

Eine kurze Zeitspanne ungewohnter Pressefreiheit hatte es während der Regierungszeit der Muslimbrüder gegeben. Da nahmen sich die Medien jede Freiheit heraus, den Präsidenten und seine Regierung hemmungslos zu kritisieren. Aber nach der Entmachtung der Muslimbrüder haben die Behörden die Schrauben angezogen und mehrere Fernsehstationen und Zeitungen, die den Islamisten oder deren Partei nahestanden, geschlossen.

[…] Die staatlichen Print- und die elektronischen Medien, ebenso wie die von Geschäftsleuten verlegten «unabhängigen Zeitungen» sind seitdem praktisch gleichgeschaltet. Kritische Kommentare gegen den von der Armee vorgegebenen Kurs oder gegen die Polizeiwillkür sind nahezu verschwunden. Ausländische Journalisten erhielten vom staatlichen Informationsdienst einen Ukas, in dem die Wortwahl bei der Beschreibung der Ereignisse festgeschrieben wurde. Das bedeutet praktisch ein Verbot, von einem Putsch zu sprechen.

Schockwellen hatte letzte Woche insbesondere die Anklage gegen 20 Mitarbeiter des Fernsehsenders al-Jazira – 16 Ägypter und 4 Ausländer – ausgelöst, von denen 5 seit Ende Dezember im Tora-Hochsicherheitsgefängnis unter schwierigsten Bedingungen inhaftiert sind. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Unterstützung einer terroristischen Gruppierung – gemeint sind die Muslimbrüder – sowie Gefährdung der nationalen Sicherheit vor. Die Anklage gegen renommierte Journalisten ist eine politische Abrechnung mit dem Emirat Katar, das al-Jazira finanziert und die vom Militär nach der Entmachtung von Präsident Mursi eingesetzte Übergangsführung bis heute nicht anerkannt hat. Die Büros des Senders waren bereits im Sommer geschlossen worden. Al-Jazira ist zu einem Erzfeind abgestempelt worden. […] Anklage und Diffamierung sind klare Warnungen an alle ausländischen Journalisten, die in Kairo arbeiten.

[…] Selbst in der Zeit Mubaraks war für in- und ausländische Journalisten der Kontakt mit den Muslimbrüdern kein Problem, obwohl deren Organisation auch damals offiziell verboten war. Der staatliche Informationsdienst hat am Wochenende in einer Stellungnahme erklärt, ausländische Journalisten seien willkommen und der «blosse Kontakt» mit Muslimbrüdern sei nicht verboten – falls dadurch die nationale Sicherheit nicht gefährdet werde.“

via Kairo schüchtert Medienschaffenden ein: Kaum mehr kritische Kommentare gegen Armee oder Polizei – Auslandnachrichten Nachrichten – NZZ.ch

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