nzz 12.04.2013
„[…] Sufis in Sorge. Die traditionelle Orientierung auf religiöse, moralische und soziale Aspekte des Zusammenlebens stellt die Sufi-Bruderschaften heute angesichts der Schändungen ihrer Mausoleen vor grosse Herausforderungen. Unter französischem Protektorat hatten sich die Bruderschaften zurückgehalten und sich so den Freiraum für ihr Glaubensleben gesichert. Dem ersten tunesischen Präsidenten Habib Bourguiba, der ihnen durch ein Gesetz von 1957 den finanziellen Rückhalt zerstörte, gelang es nicht, den Einfluss des Sufismus auf die Volksfrömmigkeit zu mindern. Unter Ben Ali zogen sich die Sufis in Askese und Mystik zurück und blieben so unbehelligt von der Diktatur.
Der Mausoleumswächter von Sidi Belhassen Schadhili in Tunis, wohin jeden Samstagmorgen Hunderte Männer und Frauen aus allen Gesellschaftsschichten zum Sufi-Gebet und -Gesang kommen, bringt die Sorge vieler auf den Punkt: «Es ging uns besser unter Ben Ali als heute, weil wir in Ruhe beten konnten. Ein Sufi hat niemals Angst. Aber im Grunde sind wir in grosser Sorge.» Der Scheich der dort wirkenden, einflussreichen Schadhiliyya-Bruderschaft, Hassan Ben Hassen, früher Geschäftsführer eines grossen Phosphatwerkes in Gafsa, versichert dennoch: «Für uns Sufis gehören Gebet und Teilhabe an der Gesellschaft zusammen. Unser Glaube ist friedlich und tolerant. Allah schützt uns auf diesem Weg.»[…]“
http://www.nzz.ch/aktuell/international/konflikt-zwischen-sufis-und-salafisten-1.18062522