19. März 2013 · Kommentare deaktiviert für Saudi-Arabien, EADS, GIZ, Bundeswehr · Kategorien: Deutschland, Golfstaaten · Tags: , , ,

Ressortübergreifende Leitlinien
19.03.2013
BERLIN/ESCHBORN
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58565
(Eigener Bericht) – Die Bundesregierung forciert die Verzahnung von Entwicklungs- und Militärpolitik. Jüngster Ausdruck dieser Richtungsentscheidung ist ein „Strategiepapier“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), das sich explizit zur Kooperation mit der Bundeswehr im Rahmen von Gewaltoperationen bekennt.

Es verweist auf zahlreiche „zivil-militärische Schnittstellen“, die besonders für die Einflussnahme auf von Bürgerkriegen und ökonomischen Krisen geprägte „fragile Staaten“ relevant seien. Als Beispiel nennt das Papier die deutsche „Unterstützung“ beim „Aufbau Afghanistans“. Es nimmt zudem Bezug auf die zwischen BMZ, Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt vereinbarten „ressortübergreifenden Leitlinien“ für eine „kohärente Politik“ gegenüber „fragilen Staaten“. Diesen zufolge ist das „robuste Profil“ militärischer und polizeilicher Gewaltmaßnahmen ein entscheidender „Erfolgsfaktor“ bei Interventionen in Ländern der sogenannten Dritten Welt. Die Kooperation zwischen BMZ und Repressionsdiensten war unlängst Thema im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die dem BMZ unterstehende Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) informierte dort etwa über ein „Grenzschutzprojekt“ in Saudi-Arabien. Während der EADS-Konzern die dafür notwendige Infrastruktur liefert, betreut die GIZ die zur Ausbildung der saudischen Grenzer entsandten Bundespolizisten – mit einem Budget im zweistelligen Millionenbereich.

Vernetzte Sicherheit
Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel (FDP), hat der Öffentlichkeit unlängst ein neues „Strategiepapier“ seines Hauses präsentiert. Es trägt den Titel „Entwicklung für Frieden und Sicherheit“ und bekennt sich ausdrücklich zu einer engen Kooperation mit der Bundeswehr im Rahmen militärischer Gewaltoperationen. Begründet wird die Verzahnung von Entwicklungs-, Außen- und Militärpolitik, die der Doktrin der „vernetzten Sicherheit“ entspricht, damit, dass von Bürgerkriegen und ökonomischen Krisen betroffene „fragile Staaten“ ein „Risiko“ für die „globale Sicherheit“ darstellten. Bezeichnenderweise stuft das BMZ mehr als die Hälfte seiner „Partnerländer“ als „fragil“ ein; bei ihnen handele es sich um potenzielle „Drehscheiben für internationalen Drogen- und Waffenhandel sowie Terrorismus“, heißt es.[1]

Zivil-militärisch
Wie das BMZ weiter ausführt, erachtet es die Implementierung „zivil-militärischer Schnittstellen“ als besonders „relevant“ für die angemahnte Neuausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik. Ein „gutes Beispiel“ hierfür sind laut dem Strategiepapier „gemeinsame Übungen“, die von Entwicklungshelfern und Militärs an der Führungsakademie der Bundeswehr veranstaltet werden. Trainiert werde dabei das „zivile und militärische Zusammenwirken in fragilen Ländern“; zu den behandelten Themen zählten insbesondere Nahrungsmittel- und Finanzkrisen, die „Folgen des Klimawandels“, „Migration“ sowie „Rohstoff-Governance“. Auch vermeintliche Erfolge der propagierten „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ werden in dem „Strategiepapier“ benannt – etwa die Aufstellung einer „multidimensionalen afrikanischen Friedenstruppe“ und der „Aufbau Afghanistans“.[2]

Fragile Staaten
Grundlage des neuen Strategiepapiers sind dem BMZ zufolge die gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und dem Verteidigungsministerium erarbeiteten „ressortübergreifenden Leitlinien“ für eine „kohärente Politik“ gegenüber „fragilen Staaten“.[3] Analog den Ausführungen des BMZ werden die „fragilen Staaten“ darin als „große Herausforderung für die globale Sicherheit“ beschrieben: „Sie bilden grenzüberschreitende Destabilisierungspotentiale, dienen als Umschlagplätze für illegalen Waffen-, Drogen-, Menschen- und Kulturguthandel, als Rückzugsräume für terroristische Netzwerke, und sie bedrohen den legalen Handelsverkehr.“ Wie das BMZ-Strategiepapier behaupten auch die „Leitlinien“ einen „untrennbaren Zusammenhang von Sicherheit und Entwicklung“ und bekennen sich zu einem „vernetzten Ansatz“, der Entwicklungs-, Außen- und Militärpolitik miteinander verzahnt – im Interesse eines „internationalen Krisenmanagements“.[4]

Task Forces
Um „krisenhafte Entwicklungen“ in aller Welt kontern zu können, empfehlen die „Leitlinien“ die Einrichtung „länder- oder regionenspezifische(r) Task Forces“ aus Mitarbeitern des BMZ, des Auswärtigen Amts und des Verteidigungsministeriums. Diese seien gehalten, unter „Einbeziehung von Think Tanks und externer fachlicher Expertise“ eine „frühzeitige Lage- und Machtstrukturanalyse“ der jeweiligen Krisenregion vorzunehmen und eventuell dort vorhandene „Kooperationspartner“ ausfindig zu machen, heißt es. Explizit berufen sich die „Leitlinien“ auf das 2006 von der Bundesregierung verabschiedete „Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“, das die Truppe als „Instrument“ zur weltweiten Durchsetzung „deutscher Interessen“ definiert. Folgerichtig gilt den „Leitlinien“ denn auch ein „robustes Profil“ des „internationalen Engagements mit militärischer und/oder polizeilicher Komponente“ als Grundlage für „Stabilisierungs- und Entwicklungserfolge“.[5]

Eng verzahnt
Wie weit die Zusammenarbeit zwischen BMZ, Verteidigungsministerium und Repressionsorganen mittlerweile gediehen ist, war unlängst Thema im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Den Mitgliedern des Gremiums wurde ein Papier ausgehändigt, in dem die dem BMZ unterstellte Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Auskunft über ihre Kooperation mit „staatlichen und privaten Sicherheitsdiensten“ gibt. Zu Beginn des Textes findet sich eine Aussage von Entwicklungsminister und Reserveoffizier Dirk Niebel: „Komplexe Konfliktsituationen wie in der Demokratischen Republik Kongo oder in Afghanistan können nicht allein entwicklungspolitisch, diplomatisch oder militärisch gelöst werden. Deshalb verzahnen wir uns eng und bauen Berührungsängste zwischen den Politikfeldern ab.“[6]

Wechselseitige Schulung
Eventuelle „Berührungsängste“ zwischen der GIZ und den deutschen Repressionsorganen dürften indes längst der Vergangenheit angehören. Während die Entwicklungsagentur mit der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) und der Führungsakademie der Bundeswehr einen regen fachlichen und personellen Austausch pflegt, hat sie mit dem Verteidigungsministerium sogar eine förmliche „Kooperationsvereinbarung“ geschlossen. Diese sieht vor, die Truppe mit entwicklungspolitischem Know-how zu unterstützen – etwa durch die Bereitstellung GIZ-eigener „Analyse(n) von Einsatzgebieten“ und durch die „Schulung von Soldaten“. Umgekehrt lässt die Bundeswehr die GIZ im großen Maßstab an ihrer Infrastruktur teilhaben; sie bietet deren Mitarbeitern „vorbereitende Trainings“ und gewährt Zugang zu „Einsatzliegenschaften“, Betreuungseinrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten, Feldpost, Transportkapazitäten und notfallmedizinischer Versorgung. Gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt (BKA) plant die GIZ noch in diesem Jahr die Durchführung einer Veranstaltung für „Global Player“; gemeint sind „weltweit aufgestellte deutsche Großunternehmen, die an internationalen Brennpunkten starke Interessen haben“.[7]

Unterstützung für die Rüstungsindustrie
Auch an militärisch und polizeilich relevanten „Entwicklungsprojekten“ ist die GIZ maßgeblich beteiligt. Während sie in Afghanistan für den Aufbau der dortigen Polizeiinfrastruktur verantwortlich zeichnet, hat sie in Saudi-Arabien die Betreuung von Bundespolizisten übernommen, die Grenzschützer schulen. Das zuletzt genannte Projekt ist Teil eines Abkommens zwischen der Bundesregierung und der Golfmonarchie, das die Lieferung von „Grenzschutzsystemen“ des EADS-Konzerns im Wert von 1,1 Milliarden Euro vorsieht (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Für ihre in diesem Zusammenhang erbrachten logistischen und administrativen „Unterstützungsleistungen“ stehen der GIZ insgesamt 33 Millionen Euro zur Verfügung.

[1], [2], [3] Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Entwicklung für Frieden und Sicherheit. Entwicklungspolitisches Engagement im Kontext von Konflikt, Fragilität und Gewalt. BMZ-Strategiepapier 4/2013
[4], [5] Auswärtiges Amt/Bundesministerium der Verteidigung/Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Für eine kohärente Politik der Bundesregierung gegenüber fragilen Staaten – Ressortübergreifende Leitlinien. Berlin, August 2012
[6], [7] Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Zusammenarbeit der GIZ mit staatlichen und privaten Sicherheitskräften. Berlin, Dezember 2012
[8] s. dazu Wasser als Waffe

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