26. Juni 2014 · Kommentare deaktiviert für Syrien: adopt@revolution, Newsletter 25.06.2014 · Kategorien: Syrien

Liebe AbonnentInnen des Newsletters, liebe Syrien-Interessierte,

am 3. Juni hat Bashar al-Assad wenig überraschend die Präsidentschaftswahlen in Syrien gewonnen. Die offizielle Wahlbeteiligung lag bei 73%, was angesichts der großen Massenflucht in und aus Syrien Zweifel aufrufen mag. Assads Wahlkampagne lief unter dem Motto „Gemeinsam“; die anhaltende Fassbombenkampagne in mehreren Landesteilen von Syrien straft dieses Motto täglich Lügen. Erst vergangene Woche wurde ein Binnenflüchtlingslager nahe der jordanischen Grenze bombardiert – nachts. Dies kostete dutzende Menschen das Leben. Das Regime hält unvermindert an der Maxime fest: Entweder für oder gegen uns.

Einschätzungen und Hintergründe zur Wahl Anfang Juni können Sie auf dem Wahlblog (https://www.adoptrevolution.org/wahlblog/) – mit Stimmen von AktivistInnen aus Syrien – und in einem aktuellen Kommentar von Elias Perabo nachlesen: https://www.adoptrevolution.org/wahlen-in-syrien-diktator-mit-erflog/. Der Kommentar „Diktator mit Erfolg“ wurde auch am 06.06.2014 in der taz veröffentlicht.

Allerdings wurde nun von der OPCW verkündet, dass das syrische Chemiewaffenarsenal außer Landes gebracht worden sei. Damit hat das syrische Regime die Frist erfüllt, die nach der verheerenden Giftgasattacke auf Ghouta im vergangenen Jahr ausgehandelt worden war. Es gibt jedoch Anschuldigungen gegenüber Syrien, bereits mehrfach Chlorgas eingesetzt zu haben. Dieses ist nicht Teil des Chemiewaffenabkommens – wie auch jegliche konventionellen Waffen. Dass die syrischen Chemiewaffen nun außer Landes sein sollen, ist für die SyrerInnen daher nur ein schwacher Trost.

Aktuelle Entwicklungen im syrischen Nachbarland Irak haben die internationale Gemeinschaft derweil aufgeschreckt. Die extremistische Gruppe ISIS (Islamischer Staat in Syrien und Irak) hat binnen Wochen weite Teile des Nordirak – inklusive der Metropole Mossul – in ihre Gewalt gebracht. Während die Ursachen komplex sein mögen, ist die Auswirkung dieses ISIS-Vormarsches auch für Syrien mehr als fatal. Allein durch die Eroberung von Mossul sind den ISIS-Kämpfern eine Vielzahl von Waffen und auch Geld in die Hände gefallen – ganz zu schweigen von dutzenden türkischen Geiseln, die ein gewaltiges Pfand für ISIS darstellen. Berichte mehren sich, wonach ISIS Waffen und schweres Material haufenweise – und völlig ungestört vom syrischen Regime – über die irakisch-syrische Grenze transportiert hat. Was der ISIS-Vormarsch für Syrien bedeutet, hat Andre Find von Adopt a Revolution in einer aktuellen Einschätzung dargestellt: https://www.adoptrevolution.org/isis-im-irak/

Dass die ZivilistInnen und auch AktivistInnen in Syrien durchaus noch nicht vor ISIS kapituliert haben, sieht man z.B. an der Stadt Menbej nahe Aleppo. ISIS hatte die Stadt vor Monaten eingenommen. Dort haben AktivistInnen im Mai zu einem Generalstreik aufgerufen, um gegen die Willkür und Repression durch ISIS zu protestieren. Und: Dem Streikaufruf folgte in der Tat eine nahezu komplette Niederlegung des Alltagslebens in Menbej. Hintergründe finden Sie hier: https://www.adoptrevolution.org/generalstreik-gegen-isis-in-menbej/

Auch aus Deir az-Zor, einer Großstadt am Euphrat unweit des Irak, haben AktivistInnen uns Eindrücke über die Auseinandersetzung mit ISIS geschildert. Deir az-Zor schloss sich 2011 schnell den Protesten gegen das Regime an und wurde in der Folge befreit – sowie heftig umkämpft. Mittlerweile ist die Stadt zweigeteilt, befreit auf der einen, vom Regime kontrolliert auf der anderen Seite. Nun tritt vermehrt ISIS als Belagerer der vom Regime befreiten! Gebiete auf – und verstärkt die Not der eingeschlossenen Zivilbevölkerung nur weiter. Bashar, ein junger Arzt aus Deir az-Zor, hat uns vor Kurzem über die Lage in der Stadt berichtet: https://www.adoptrevolution.org/dair-az-zor-eine-stadt-zwischen-regime-und-isis/

Auch die Presseschau fokussiert die Thematik ISIS in Syrien und Irak, Themen u.a.:

  • Assads Wiederwahl: Genfer Friedensverhandlungen endgültig gescheitert
  • ISIS in Syrien & Irak: untrennbarer Konflikt
  • ISIS als wirtschaftlich unabhängiger Akteur
  • Furcht vor heimkehrenden Syrienkämpfern in USA & Europa wächst

Genaueres können Sie hier nachlesen: https://www.adoptrevolution.org/isis-auf-dem-vormarsch-die-presseschau-vom-15-juni/

Zum Stichwort westlicher Dschihadisten und der grassierenden Panik vor Syrien-Rückkehrern haben die tagesthemen in einem Beitrag vom 18. Juni allerdings den Vogel abgeschossen. Dort wurden friedliche Solidaritätskundgebungen für Syrien – die an die Opfer und die katastrophale humanitäre Lage in Syrien erinnern – mit Koranverteilungen ohne jegliches Hinterfragen in einen Kontext gesetzt. So wurde offen suggeriert: Solidaritätsveranstaltungen für Syrien verleiten friedliche, unbescholtene Bürger dazu, in Syrien zur Waffe zu greifen. In einem Akt von Persiflage haben AktivistInnen von Adopt a Revolution daraufhin in einem Video diese Kausalkette aufgegriffen: https://www.adoptrevolution.org/isis-auf-dem-vormarsch-die-presseschau-vom-15-juni/

Das Team von Adopt a Revolution begleitet und unterstützt syrische AktivistInnen bereits seit Ende 2011 in ihrer wichtigen wie gefährlichen Arbeit. Medien- und Informationsarbeit ist dabei seit langem ein wichtiger Teil der Aktionen der alternativen Zivilgesellschaft. Nur so können die AktivistInne die Narrative der Regierung Lügen strafen und ihre eigenen Projekte der Außenwelt vorstellen. Wie gefährlich diese alternativen Narrative für das syrische Regime sind, zeigt sich deutlich an der massiven und brutalen Repression gerade gegenüber friedlichen AktivistInnen. In einem Gastbeitrag von alsharq.de stellt Ansar Jasim dar, wie die Medienarbeit in Syrien eine „Waffe“ darstellt: https://www.adoptrevolution.org/dokumentation-als-waffe-alternative-medien-in-syrien/

Auch im Damaszener Viertel Camp Yarmouk zeigt sich aktuell, wie gefährdet zivile syrische AktivistInnen weiterhin sind. Nachdem ein lokaler Waffenstillstand zwischen Regime und bewaffneter Opposition ausgehandelt wurde, stehen die AktivistInnen schutzlos da. Für sie wurden keine speziellen Vereinbarungen getroffen, sodass die AktivistInnen erneut Inhaftierung und Folter durch die Regimekräfte fürchten müssen. Obwohl sie maßgeblich das zivile Leben seit 2013 aufrecht erhalten haben, müssen sie nun um ihr Leben fürchten. Hintergründe finden Sie hier: https://www.adoptrevolution.org/unversehrtheit-fuer-die-zivilen-aktivist_innen-in-yarmouk-zum-waffenstillstand/

Mit besten Grüßen,
das Adopt a Revolution-Team

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