„Der libysche Ex-General Haftar: Abenteurer, Retter oder Putschist?
Astrid Frefel, Kairo
Der ehemalige libysche General Khalifa al-Haftar hat sich den Kampf gegen die Islamisten auf die Fahne geschrieben. Manche sehen ihn als Retter, andere als Vasallen der USA oder als machtgierigen Feind des Islam.
Er wolle nicht Präsident werden, ausser es sei der Wille des Volkes, hat Khalifa al-Haftar einer ägyptischen Zeitung erklärt. Der ehemalige libysche General, der Mitte Mai in Benghasi eine blutige Offensive gegen islamistische Milizen gestartet hatte, suggeriert ganz offen Parallelen mit den Ereignissen im Nachbarland. Seine Wortwahl folgt exakt jener von Ägyptens ehemaligem Armeechef und neuem Präsidenten Abdelfatah as-Sisi, der im letzten Sommer die Entmachtung der Muslimbrüder orchestriert hatte.
[…] «Libyens Sisi» kann massiven Zulauf von allen Waffengattungen der im Aufbau begriffenen libyschen Armee verbuchen. Er selbst spricht von 70 000 Mann. Auch seine politischen Vorstellungen werden immer ausgefeilter. Er schlug die Bildung eines Präsidialrates und einer Krisenregierung vor, die Parlamentswahlen abhalten sollen – aber erst, wenn seine «Operation Würde» beendet sei. Die Kämpfe würden zwischen drei und zwölf Monate dauern, sagt er voraus. Im Moment sei das Klima für Wahlen nicht geeignet, begründete er seine Ablehnung der für den 26. Juni geplanten Parlamentswahlen.
[…] Er ist eine kontroverse Figur. In der Biografie des 71-Jährigen aus Ajdabiya, der dem al-Farjani-Stamm angehört, gibt es einige dunkle Stellen. Als junger Offizier war er 1969 an der Seite von Muammar al-Ghadhafi beim Sturz von König Idriss. Nach einem desaströsen Militärabenteuer in Tschad in den achtziger Jahren liess ihn Ghadhafi fallen. Haftar, säkular und von Nassers Ideen geprägt, ging ins Exil, erst nach England und danach lange Jahre in die USA. Amerikanische Medien beschrieben ihn als «Günstling der CIA». Heute betont er immer wieder, er geniesse zwar ausländische Unterstützung, aber nicht von den USA.
Nach dem Ausbruch der Revolution des 17. Februar kehrte er 2011 nach Benghasi zurück und half, den militärischen Widerstand gegen das Ghadhafi-Regime zu organisieren. Er war Teil der stetigen Machtkämpfe um die Führung der neuen Armee, die bis heute andauern, und ein erbitterter Rivale von General Abdelfatah Yunis, der im Juli 2011 unter mysteriösen Umständen ermordet wurde. Im Februar dieses Jahres machte der ehrgeizige ehemalige General mit dem «TV-Coup» von sich reden, als er nachdrücklich den Rücktritt des Parlaments forderte.
[…] Dieser erste Versuch, «Libyen von den Muslimbrüdern zu säubern», nur wenige Tage vor der Wahl der Verfassungskommission, fand noch wenig Anklang. Seither hat sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert, vor allem in Benghasi haben die Morde an Sicherheitsoffizieren – verübt von islamistischen Extremisten – massiv zugenommen. Die von al-Kaida inspirierte Ansar ash-Sharia versucht ganz offen, in ihrem Herrschaftsgebiet einen Gottesstaat einzurichten. Auch die politische Krise mit zwei um die Macht ringenden Regierungen kommt ihm zugute.
Al-Qaïda au Maghreb islamique (Aqmi) hat Haftar nun zum «Feind des Islam» erklärt. Einen ersten Selbstmordanschlag hat er überlebt. Auch gegen andere Einheiten, die ihn unterstützen, wurden bereits Anschläge verübt. Seine «Operation Würde» hat schon mehrere Dutzend Todesopfer gefordert; libysche Kommentatoren sind sich nicht einig, ob Haftar am Ende als Abenteurer, Retter oder Putschist dastehen wird.“