19. April 2013 · Kommentare deaktiviert für Griechenland: drohende Auslieferung von 2 Flüchtlingen an die Türkei · Kategorien: Griechenland, Türkei
Am Freitag den 19. April um 9:30 wird im Areopag (Oberster Gerichtshof) in Athen entschieden, ob die zwei politischen Flüchtlinge aus der Türkei, Zeki Gurbuz und Comert Bulent Aytunc, an die türkischen Behörden ausgeliefert werden. 
Der Prozess ist hoch brisant, weil den beiden Flüchtlingen – beide Folteropfer – jahrelang Haft in der Türkei droht.  Rechtswissenschaftler, Menschenrechtler und AktivistInnen warnen, dass diese Menschen wieder Opfer von Folter werden könnten und vor die sogenannten Sondergerichte in der Türkei – die schon öfters international verurteilt worden sind – gestellt würden.  
Es  ist sicher, dass sie bei einer Auslieferung auf Grundlage des türkischen Anti-Terror-Gesetzes vor Gericht gestellt werden. Das bedeutet in der Regel langjährige Haft mit unbestimmter Frist und kein Zugang zu ihren Akten vor Beginn des Gerichtsprozesses, der zwei Jahre später erfolgen kann, betont auf ihrer Website die Bewegung für Freiheit und Demokratische Rechte (KEDDE).  
Es wird geschätzt, dass ca. 10.000 Menschen, unter ihnen Journalisten, Gewerkschaftler, Studenten und sogar Anwälte, in der Türkei wegen ihrer politischen Ansichten oder pro-kurdischen Einstellungen im Rahmen des Anti-Terror-Gesetzes verfolgt werden. Diejenigen, die verhaftet werden, werden vor Sondergerichte gestellt, manchmal nur auf Grundlage der durch Folter erzwungenen Aussagen, betont in einer Pressemitteilung die griechische Anwältegruppe für die Rechte der Migranten und Flüchtlinge. Außerdem würde ihre Auslieferung einen klaren Verstoß gegen die griechische Verfassung, das europäische Recht und die Genfer Konvention darstellen.
Die Verfolgung von Gurbuz und Comert ist kein Einzelfall. Seit Wochen beobachtet man in dem von der Krise schwer angeschlagenem Land eine Reihe von Verhaftungen von Schutzsuchenden politische Dissidenten aus der Türkei und türkische Kurden, die schon seit Jahren in Griechenland leben und auf eine Antwort ihres Asylantrags warten. Jedoch ist das griechische Asylsystem nahezu inexistent. Viele Asylsuchende warten seit bis zu zehn Jahren auf eine Entscheidung bezüglich ihres Gesuches. Viele Tausende schaffen nicht einmal den Zugang.
Gurbuz, ein kurdischer Alevit,  wurde am 12. Februar festgenommen – gleich als sein Interview für die Prüfung seines Asylantrages in der Hafenstadt Patras beschlossen wurde. Der türkische Interpolhaftbefehl wurde einen Tag nach dem Interviewtermin ausgestelltAm selben Tag wurde auch Comert verhaftet, der Gurbuz als Dolmetscher zum Asylinterview begleitet hatte.
Gurbuz wurde in der Türkei der antistaatlichen Aktivitäten beschuldigt und ist Opfer von Folter. Er wird seit seiner Studienzeit wegen seiner politischen Aktivitäten verfolgt. Seine Schwester wurde von den türkischen Behörden wegen ihres Kampfes gegen sexuelle Folter verfolgt und seine Frau wegen ihrer journalistischen Arbeit. Gurbuz ist weiterhin in Haft, obwohl das Gericht in Patras beschlossen hat, dass sowohl er als auch Comert nicht ausgeliefert werden sollen, denn der Staatsanwalt legte Berufung ein, was dazu führte, dass Gurbuz bis heute nicht freigelassen wurde.
Es wird vermutet, dass die Entscheidung über die Auslieferung auf hoher politischer Ebene getroffen wird.
Comert wird in der Türkei wegen seiner politischen Arbeit und seiner pro-kurdischen Position verfolgt. Er ist auch Folteropfer. Er wurde in die berüchtigten Weiße Zellen eingeliefert und nahm im Jahr 2000 am wochenlangen Hungerstreik der Insassen teil. Comert floh nach Griechenland und stellte im Jahr 2002 Asyl. Ein Jahr später bekam er eine positive Antwort. Trotzdem wurde ihm bis heute kein Asyl gewährt. Ein alter Interpolhaftbefehl wurde wieder vor ein paar Wochen aktiviert.
Beide werden von der Türkei der Mitgliedschaft in terroristischen Organisationen beschuldigt.
Nach der Verhaftung von Gurbuz  und Comert am 12. Februar kam es zur Verfolgungen und vorläufigen Festnahmen von drei weiteren Asylsuchenden aus der Türkei: M.S. am 14 Februar, Fadik Adauman am 26 Februar und Huseyin Cakil am 6 März. “Innerhalb von zwei Monaten gab es eine so hohe Anzahl von Verfolgungen, wie wir sie sonst innerhalb von 10 Jahren erleben“, so die Anwältin Eleni Spathana von der Anwaltsgruppe für die Rechte der MigrantInnen und Flüchtlingen.  

Alle Verfolgten werden von den türkischen Behörden beschuldigt, an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen zu sein. Laut Angaben des griechischen Flüchtlingsrats (GCR) sind alle Opfer von Folterungen in den türkischen Gefängnissen und politische Flüchtlinge gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951.
 
AktivistInnen und Menschenrechtler vermuten, dass nach der Reise von Premier Samaras Anfang März in die Türkei und seinem Treffen mit Erdogan ein politisches Abkommen zwischen Ankara und Athen mit wirtschaftlichen Gegenleistungen getroffen wurde. Es wurden offiziell 25 Abkommen unterzeichnet für die Bereiche Gesundheit, Tourismus und illegale Migration. Die türkische Presse berichtete auch über Abkommen zwischen beiden Ländern zum Thema Auslieferungen. Türkische Zeitungen haben in dem Rahmen die Namen der Verfolgten und anderer Dissidenten, die in Griechenland leben veröffentlicht. 
Ankara Strategic Institution weist darauf hin, dass geplante private türkische Investitionen in Griechenland als Druckmittel verwendet  werden, um  das Abkommen für die Auslieferungen zu beschleunigen. “Die griechische Regierung ‘verkauft‘ uns. Sie benutzen uns für einen Basar mit der türkischen Regierung. Heute sind es wir. Morgen kann es ein Palästinenser oder anderer Verfolgter sein“, sagt E., ein türkische Kurde der seit Jahren in Griechenland lebt.
Es ist nicht neu, dass die Türkei die Auslieferung von Schutzsuchenden fordert. Bemerkenswert ist aber, mit welcher Intensität dies gerade in Griechenland stattfindet. Laut Schätzungen von griechischen Menschenrechtlern will Ankara die Auslieferung von 400 politischen Dissidenten und türkischen Kurden verlangen. Die Tatsache, dass seit Jahren ihre Asylanträge nicht beantwortet sind, macht die Situation besonders bedrohlich. “In anderen Ländern haben Dissidenten aus der Türkei schon längst Asyl bekommen. Hier in Griechenland gibt es Fälle, wo seit Jahren der Asylantrag nicht überprüft worden ist, sowie andere in denen die zuständige Behörde schon seit Jahren entschied, dass der / die AntragstellerIn alle Bedingungen erfüllt um als Flüchtling anerkannt zu werden jedoch die Entscheidung bis heute nicht durch den Minister unterschrieben wurde“, so Marianna Tzaferakou aus der Anwaltsgruppe für die  Rechte der Migranten und Flüchtlingen.
“Wir fühlen uns nicht mehr sicher in Griechenland. Wir haben Angst, unsere Aufenthaltspapiere bei den griechischen Behörden zu erneuern oder zum Asylinterview zu gehen, weil wir fürchten, dass wir festgenommen werden“, sagt E. “ Wir haben Angst, alleine auf der Straße zu laufen, weil wir jederzeit verhaftet werden könnten. Es erinnert uns an die Militärjunta in der Türkei“.
SOLIDARITÄT MIT DEN TÜRKISCHEN UND KURDISCHEN FLÜCHTLINGEN UND AKTIVISTEN DIE IN KONKRETER GEFAHR DER AUSLIEFERUNG IN DIE TÜRKEI STEHEN!
STOPPT DIE AUSLIEFERUNG POLITISCHER FLÜCHTLINGE IN DIE TÜRKEI!
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