13. April 2012 · Kommentare deaktiviert für Italien-Libyen: Abkommen ungültig? · Kategorien: Italien, Libyen · Tags:

Große Zweifel an der Legitimität des Abkommens zwischen der italienischen Regierung und der libyschen Übergangsregierung (CNT) zur Bekämpfung der „illegalen Migration“

Die italienische Juristenvereinigung ASGI stellt die rechtlichen Grundlagen des Abkommens in Frage

Erstens ist das Abkommen nicht veröffentlicht worden. Nach Presseinformationen sieht das Abkommen eine Klausel vor, wonach „die Parteien zu einer gegenseiten Unterstützung und zu einer Zusammenarbeit im Kampf gegen die illegale Migration übergehen können, einschließlich dem Refoulement von Migranten in irregulärer Situation“.

Zweitens handelt es sich offensichtlich um ein Abkommen politischer Natur, das nicht einfach abgeschlossen werden kann, sondern den italienischen Kammern zur Verabschiedung von Gesetzen und zur Billigung ihrer Ratifizierung nach Artikel 80 der italienischen Verfassung vorgelegt werden muss.

Drittens scheint die italienische Regierung nicht geklärt zu haben, was aus dem Vertrag zwischen Italien und Libyen werden soll, das in Bengasi am 30.08.2008 unterzeichnet, danach ratifiziert wurde und mit dem Gesetz vom 06.02.2009 in Kraft getreten ist. Im vergangenen Februar hat die italienische Regierung seine Aussetzung erklärt, ohne dass die juristische Angelegenheit im Sinne der Konvention von Wien über die Rechtsverhältnisse von Verträge damit erledigt worden wäre. Es ist nicht klar, ob die Verpflichtungen aus diesem Vertrag aus dem Jahr 2008 ausgesetzt wurden, und wenn sie ausgesetzt wurden, nur in Bezug auf das Territorium, das von den Gaddafi-Gruppen kontrolliert wurde, oder auch in Bezug auf die Territorien, die unter der Kontrolle des CNT sind.

Schließlich scheint das Abkommen – jenseits der Legitimitätsfragen der Repräsentativität des CNT und seiner Anerkennung durch die italienische Regierung – die Parteien dazu anzuhalten, dass sie die Refoulement-Verfahren gegenüber Ausländern anwenden, die irregulär aus Libyen aufgebrochen sind. In diesem Aspekt verletzt das Abkommen offensichtlich die Normen des internationalen Rechts, auch weil sie kaum diejenigen betrifft, die nach Italien aus den Städten aufbrechen, die unter der Kontrolle des CNT stehen, sondern vor allem jene, die nach Italien aus der Region Libyens geflohen sind, die unter der Kontrolle Gaddafis standen (Tripolis vor allem).

Es ist daran zu erinnern, dass das gesamte libysche Territorium Objekt militärischer Operationen ist und es sich mit Sicherheit nicht um eine sichere Zone für das Leben und die Sicherheit von Personen handelt. Die Ausländer sind vor den Verfolgungsoperationen geflohen, die die Milizen Gaddafi durchgeführt haben und die heute als internationale Verbrechen auch vonseiten des Internationalen Strafgerichts betrachtet werden. Ohne Zweifel müssen Italien und der CNT in jedem Fall die Internatione Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung während internationaler Konflikte respektieren. Italien muss auch das Prinzip des Nicht-Refoulements derjenigen respektiven, die den Status von Flüchtlingen oder einen ähnlchen Schutz erhalten könnten, wie sie die internationalen Konventionen zum Flüchtlingsstatus und die EU-Direktiven zu dieser Sache vorsehen, wie auch das Verbot aller Formen von Abschiebung, die die Personen dem Risiko ihres Lebens, ihrer Sicherheit und ihrer Freiheit aussetzen könnten, oder die eine Form von Folter oder inhumaner und entwürdigender Behandlung nach der Europäischen Menschenrechtskonvention nach sich ziehen könnte. Jeder Staat, der die Europäischen Menschenrechtskonvention unterschrieben hat, hat diese Prinzipien zu respektieren.

Umso gravierender ist es, dass Libyen nie die Genfer Konvention über den Flüchtlingsstatus unterzeichnet hat und dass daher, wie die vergangenen Jahre zeigen, die Ausländern in Libyen nicht geschützt werden können. Sie laufen dort gefahr, dass sie in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden, wo sie verfolgt werden können oder wo Konflikte im Gange sind.

Daher stellt ein solches Abkommen die Respektierung der elementarien Garantien in Frage, die das Asylrecht nach der italienischen Verfassung, Artikel 10 Absatz 3, bilden und den Schutz der elementarsten Rechte des Menschen, wie sie internationale und EU-Verfassungsnormen darstellen. Daher sollte alle juristische Anstrengung unternommen werden, um die Anwendung des Abkommens zu verhindern.

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