10. März 2014 · Kommentare deaktiviert für Ukraine, IWF · Kategorien: Ukraine · Tags:

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„Ukraine vor der Pleite

Geteiltes Land, geteilte Wirtschaft

Von Stephan Kaufmann

Die Ukraine steht vor der Pleite. Ein Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds würde jedoch zu teuer für die Bevölkerung – Die Ukraine ist eines der ärmsten Länder Europas.

Es war eine seiner ersten Amtshandlungen: Am ersten Tag als neuer Premierminister schickte Arsenij Jazeniuk am 28. Februar ein Hilfegesuch an den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Denn das Land steht vor der Pleite. Der IWF zeigte sich aufgeschlossen. Auch die US-Regierung verspricht Hilfe. Denn „es reicht nicht aus, den Beginn der Demokratie nur zu begrüßen“, so US-Außenminister John Kerry. Die EU bietet Kiew weitere Milliardenkredite – wenn eine Vereinbarung mit dem IWF zustande kommt. Diese wird teuer für die Ukrainer, das steht fest. Denn der IWF und die Ukraine kennen sich seit 20 Jahren.

Industrie vor allem im Osten

Die Ukraine ist eines der ärmsten Länder Europas. Der Übergang zur Marktwirtschaft und die staatliche Souveränität bedeuteten einen wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes. Der freien Konkurrenz ausgesetzt, gingen tausende von Betrieben unter. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte von 1991 bis 1999 um 60 Prozent. Die Lebenserwartung der Menschen sank von 71 auf 67 Jahre. Der Absturz traf vor allem den Westen des Landes. Dort, wo die prowestlichen Kräfte am stärksten sind, liegt das Armenhaus der ohnehin armen Ukraine.

Ab 2000 erlebte das Land einen Aufschwung, getragen von den guten Beziehungen der östlichen Ukraine zu Russland. Im Osten liegen sieben der zehn größten Industriekomplexe des Landes. Fast 70 Prozent der ukrainischen Maschinen- und Fahrzeugexporte gehen in die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Daneben lieferte Russland Gas zu Vorzugspreisen, was der extrem energieintensiven ukrainischen Industrie eine gewisse Wettbewerbsfähigkeit sicherte. Zusätzlich gestützt wurde die Wirtschaft durch den hohen Preis für Stahl, der bis zu 40 Prozent der Exporteinnahmen einspielte.

Doch dann brachen dem ukrainischen Wirtschaftswunder alle Pfeiler weg. Bereits ab 2006 begann Russland, von der Ukraine einen höheren Gaspreis zu verlangen, nachdem in Kiew im Zuge der „orangenen Revolution“ eine eher anti-russische Regierung an die Macht gekommen war.

2008 stürzte die Nachfrage nach ukrainischen Rohstoffen ab und mit ihr der Stahlpreis: Zwischen Juli und November 2008 sank dieser um 80 Prozent. Wegen eines Streits um unbezahlte Gas-Rechnungen und Transitgebühren kündigte Russland schließlich an, der Ukraine ab 2009 den regulären – und viel höheren – Weltmarktpreis für Gas zu berechnen. All das stürzte das Land in die Krise. Da Kiew an den Finanzmärkten kein Geld mehr bekam, wurde der IWF zu Hilfe gerufen – das siebte Mal seit 1994.

2008 gewährte der IWF eine Kreditlinie über 17 Milliarden Dollar und setzte Bedingungen: Freigabe des Kurses der Landeswährung Hrywnja, Streichung von Staatsausgaben und eine Anhebung der inländischen Gaspreise. Das IWF-Geld floss, doch das Reformprogramm „lief rasch aus der Spur“, so ein IWF-Bericht. Kaum eine seiner Forderungen wurde erfüllt. Denn sie waren unpopulär: Die Freigabe der Hrywnja hätte eine deutliche Abwertung der Währung bedeutet. Importe würden dadurch teurer. Zudem hatten viele Ukrainer Kredite in Auslandswährung aufgenommen, deren Rückzahlung mit der Abwertung viel teurer würde.

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