„Flüchtlinge bauen sich Bretterbuden
Von Julia Haak
[…] Flüchtlinge auf dem Oranienplatz bauen sich jetzt feste Bleiben. Die Bretterbuden seien für Rückkehrer gedacht, sagen die Baumeister: Häuser für diejenigen, deren Notunterbringung über die Wintermonate Ende März auslaufen soll. Die Politiker sind irritiert.
Es sieht nicht so aus, als ob das Flüchtlingscamp am Oranienplatz in Kreuzberg in nächster Zeit aufgelöst würde. Nicht vor Ort jedenfalls. Dort verwandelt sich gerade ein Zeltlager in eines mit festeren Bauten. Es wird gehämmert. Zahlreiche windschiefe Sperrholzhäuschen sind in den vergangenen Tagen bereits auf der Grünfläche entstanden. Und es werden noch mehr. Aber angeblich nicht für neue Flüchtlinge. Die Bretterbuden seien für Rückkehrer gedacht, sagen die Baumeister: Häuser für diejenigen, deren Notunterbringung über die Wintermonate Ende März auslaufen soll.
So jedenfalls stellt Ahmed, 28 Jahre alt, aus Nigeria die Sache dar. Wenn das stimmt, entsteht auf dem Oranienplatz gerade eine Situation, wie es sie im vergangenen Jahr schon einmal gegeben hat. Schließlich war die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnheimen in Wedding und Marienfelde noch vor wenigen Monaten zumindest als Teilerfolg gefeiert worden. Wenn auch ein paar Zelte stehen blieben, sollte doch wenigstens das Übernachten auf dem Oranienplatz enden. Die Wirklichkeit sah aber wohl immer anders aus.
„Wir wollen hier nicht sein“
Und nun erst recht. „Die Unterbringung endet, sie kommen zurück“, sagt Ahmed. Er sitzt am Montag im Info-Zelt am Zugang zum Flüchtlingscamp. Es ist eine Art Dienst, den er hier versieht. Er informiert, vertritt die politischen Forderungen der Flüchtlinge und nimmt Spenden entgegen. „Wir wollen hier nicht sein. Aber wir können auch nirgendwo anders hin“, sagt Ahmed.
Ein paar Meter weiter nageln zwei junge Männer Spanplatten an ein Gerüst aus Dachlatten. Es ist eine dünne Konstruktion, die entsteht. Einen Sturm wird das Häuschen möglicherweise nicht überstehen. Für den Moment hält’s. Alles wird verwendet. Manche Hütten sind ganz aus Schrankböden zusammen genagelt. Davor stehen plüschige Sessel, abgeranzte Korbstühle: Sperrmüllmöbel. „Wir leben von Spenden“, sagt Ahmed. Manche leben wohl auch vom Dealen mit Drogen. Bevor man hungere, mache man lieber das, sagen sie offen.
70 Menschen lebten derzeit auf dem Oranienplatz, sagen die Flüchtlinge. 32 ehemalige Bewohner seien bei Wintereinbruch im ehemaligen Notaufnahmelager in Marienfelde untergebracht worden und 80 in einem Heim der Caritas in Wedding. Weitere lebten derzeit in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule. „Insgesamt sind wir 300“, sagt Ahmed. 300 Menschen, die nicht einfach wieder verschwinden werden. „Ein Haus nützt uns gar nichts. Wir brauchen ein Bleiberecht und einen Job“, sagt Ahmed.
Weiter keine Einigung zwischen Bezirk und Senat
Er lebt seit acht Monaten auf dem Oranienplatz. Als er sein krisengeschütteltes Heimatland verließ, sei er nach Libyen gegangen. Als dort Bomben fielen, floh er nach Italien. Dort habe er 500 Euro bekommen, damit er weiterziehe. Den Oranienplatz werde er nicht aufgeben. „Hier ist es immerhin besser als in Italien. Hier habe ich wenigstens ein Zelt“, sagt er. […]“
via Oranienplatz: Flüchtlinge bauen sich Bretterbuden | Berlin – Berliner Zeitung