08. Juli 2013 · Kommentare deaktiviert für Lampedusa: Papst kritisiert „Europas Gleichgültigkeit“ – taz.de · Kategorien: Italien · Tags: ,

08.07.2013

Papst auf Lampedusa

Kritik an Europas Gleichgültigkeit

„[…] ROM taz | Mit scharfen Worten geißelte Papst Franziskus am Montag auf der Insel Lampedusa das Flüchtlingsdrama, das sich seit Jahren an den Außengrenzen der Europäischen Union (EU) im Mittelmeer abspielt. Mit Bedacht hatte der im März gewählte Papst für seine erste dienstliche Reise überhaupt die südlichste Insel Italiens gewählt, auf der Jahr für Jahr tausende Menschen eintreffen.

[…] Nur eine halbe Stunde vor Eintreffen des Papstes war ein Schiff mit 166 boat people an Bord im Hafen von Lampedusa eingelaufen.

Es war Franziskus selbst, der während seiner Predigt im Stadion von Lampedusa daran erinnerte, dass etwa 20.000 dieser Menschen, die ihr Heil in Italien oder auch in Spanien suchen, während der letzten Jahre elend umkamen.

[…] Franziskus fand am Montag einerseits herzliche Worte für die Bürger von Lampedusa. „Euch gilt aufrichtige Dankbarkeit“, sagte er, „ihr habt Aufmerksamkeit für die Menschen gezeigt, auf ihrer Reise hin zu etwas Besserem. Ihr seid ein Beispiel der Solidarität.“ In der Tat hatten die Inselbewohner zum Beispiel während des großen Flüchtlingsansturms im Frühjahr 2011, als gerade das Regime Ben Alis in Tunesien zusammengebrochen war, den auf ihrer Insel Gestrandeten nach Kräften geholfen, sie mit Lebensmitteln, Decken oder Kleidung versorgt.

Andererseits aber griff der Papst den generellen Umgang der reichen Länder mit den Flüchtlingen scharf an. Ihm gehe es darum, „das Gewissen wachzurütteln, damit sich die Tragödien nicht wiederholen“, erklärte er und brandmarkte die herrschende „Kultur der Gleichgültigkeit“: „Wer ist verantwortlich für das Blut dieser Brüder und Schwestern? Keiner! Wir alle antworten so: Ich bin es nicht, ich habe damit nichts zu tun.“

Die „Kultur des Wohlstands“ lasse die Menschen in Europa in einer Seifenblase leben und führe zu einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“: „Wir haben uns an das Leiden des Anderen gewöhnt, es geht uns nichts an, es interessiert uns nicht!“ Deshalb sei seine Messe eine Bußandacht, in der er auch um Vergebung bitten wolle für die, „die mit ihren Entscheidungen auf globaler Ebene Situationen geschaffen haben, die zu diesen Dramen führen“. […]“

via Papst auf Lampedusa: Kritik an Europas Gleichgültigkeit – taz.de.

08. Juli 2013 · Kommentare deaktiviert für Ägypten: „Es gibt keine neutrale Institution mehr, die die Gewalt aufhalten könnte“ – taz.de · Kategorien: Ägypten · Tags:

08.07.2013

Es gibt keine neutrale Institution mehr, die die Gewalt aufhalten könnte

Ab jetzt ein unregierbares Land

Kommentar von Karim El-Gawhary

„[…] Dass Ägypten nicht von den Muslimbrüdern alleine regiert werden kann, diese Lektion haben die Ägypter gelernt. Jetzt steht die nächste an: Das Land kann auch nicht ohne die Muslimbrüder regiert werden. Es könnte eine sehr blutige Lektion werden, besonders nach dem blutigen Montag, an dem das Militär das Feuer auf Pro-Mursi-Demonstranten eröffnet hat, was immer sich am Ende als Grund dafür herausstellen wird. Die einen sehen sich als Opfer eines Militärputsches, die anderen verteidigen ihre Armee als Retter der Nation. Beide Seiten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Viele derjenigen, die gegen Mursi in den letzten Tagen auf den Straßen waren, rufen nun, gerne auch via Twitter, dazu auf, die Muslimbrüder „fertigzumachen“. Es geht hier nicht um ein paar Tausend: Millionen Ägypter sollen fertiggemacht werden. Die Muslimbrüder selbst haben nach den tödlichen Schüssen auf ihre Mitglieder ihre Märtyrer bekommen und rufen zum Aufstand auf. Das Problem ist, dass es keine neutrale staatliche Institution gibt, die die Gewaltspirale aufhalten kann. Die Armee scheidet mit der Beseitigung Mursis und auch mit den Schüssen am Montagmorgen als Vermittlungsinstanz aus. Und das Ganze findet in einem Vakuum legitimer Autorität statt. Die Übergangsperiode hin zu Präsidentschaftswahlen hat den denkbar schlechtesten Start bekommen. […] Daher ist es gar nicht mehr wichtig, wer der nächste Regierungschef wird, denn er wird ein unregierbares Land verwalten. Vor ein paar Tagen konnte man noch hoffen, dass es so früh wie möglich zu Präsidentschaftswahlen kommt, um erneut der Führung des Landes eine demokratische Legitimität zu geben. Jetzt ist es schwer, sich vorzustellen, dass die Ägypter noch mal vor den Urnen Schlange stehen, ohne sich gegenseitig umzubringen. […] Er wird endgültig eine Radikalisierung des politischen Islam auslösen. Und dazu führen, dass sich in einem unregierbaren Land die Armee noch mehr in der Politik verstrickt. Und wo bleibt die gute Nachricht? Im Moment gibt es keine.“

via Es gibt keine neutrale Institution mehr, die die Gewalt aufhalten könnte: Ab jetzt ein unregierbares Land – taz.de.