31. Oktober 2014 · Kommentare deaktiviert für Ukraine: Grenzaufrüstung im Osten · Kategorien: Ukraine · Tags:

Süddeutsche Zeitung

„Ukraine zäunt Russland ein“

Aus einem zynischen Witz wird Ernst: Kiew plant im Osten eine befestigte Grenze. Der 2000 Kilometer lange Zaun soll in sechs Monaten stehen. Der Westen denkt entsetzt an den August 1961 zurück.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Noch ist nichts zu sehen im Niemandsland an der staubigen ukrainisch-russischen Grenze, außer Grenzposten, schmalen Straßen und ein paar Sandsäcken. Oder sollte man besser sagen: Noch ist nichts zu sehen an jenem Streckenabschnitt, der unter ukrainischer Kontrolle steht? Denn zumindest in den Bezirken Luhansk und Donezk kontrollieren derzeit prorussische Kräfte die Grenze eines Gebiets, das sich formal für unabhängig erklärt hat – und das auch bleiben will.

Aber wenn es nach der ukrainischen Regierung geht, soll sich das ändern: „Wir wollen einen echten Schutz“, hat Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk am Mittwoch in Kiew gesagt, und damit konkretisiert, was anfangs als zynischer Witz des Gouverneurs von Dnjepropetrowsk gegolten hatte: Die Ukraine will tatsächlich eine Mauer bauen an der Grenze zu Russland, um sich gegen „unerwünschte Infiltrationen“ und den „russischen Aggressor“ abzuschotten. […]

Deutsche Wirtschafts Nachrichten

„Ukraine: EU finanziert Stacheldraht an der Grenze zu Russland“

Die ukrainische Regierung will eine Stahl-Mauer entlang der Grenze zu Russland bauen. Außerdem sollen Stacheldraht und andere Sicherheitsvorkehrungen errichtet werden. Aus dem EU-Haushalt kommen 60 Millionen Euro für eine „integrierte Grenzverwaltung“.

Die Ukraine plant den Bau einer Mauer, um sich vom östlichen Nachbarn abzuschotten. Präsident Petro Poroschenko sagte im September, dass die Mauer exakt an der ukrainisch-russischen Grenze aufgebaut werden soll. Das soll Moskau davon abhalten, den Separatisten in der Ukraine Unterstützung zukommen zu lassen.

Im Detail geht es um eine Stahlmauer, die mit Wachtürmen ausgestattet sein soll. Hinzu kommen Soldaten-Gräben mit einem „Niemandsland“ von Stacheldraht.

Die kilometerlangen Befestigungs-Anlagen sollen mit 4.000 Militär-Unterständen und Panzern ausgerüstet sein. Die Mauer soll insgesamt 1.932 Kilometer lang werden. Die ukrainische Regierung hatte schon in den vergangenen Monaten Geldmittel für den Bau der Mauer bereitgestellt. Die ersten Aushebungen für den Bau der Mauer werden bei Kharkiv durchgeführt. Kharkiv befindet sich außerhalb der Konfliktzone. […]

 

Spiegel Online

„Kiews Mauerbau-Pläne: Grenzwertige Kalkulation“

Von Benjamin Bidder, Moskau

Kiew will an der Grenze zu Russland einen 2000 Kilometer langen Schutzwall errichten, um Übergriffe des Kreml zu unterbinden. Das Projekt würde Milliarden verschlingen, die die Ukraine nicht hat – und Moskaus Truppen trotzdem nicht aufhalten können.

Wer in der Ukraine der Ansicht ist, es sei Zeit, eine Mauer an der Grenze zu Russland zu bauen, kann im Internet Gleichgesinnte finden. Eine Bürgerinitiative sucht Freiwillige für den Arbeitseinsatz, mehr als 10.000 Ukrainer sind einer Facebook-Gruppe bereits beigetreten. Es gibt auch eine Webseite, sie heißt bezeichnender Weise „Ukrainische Idee“, das lässt vermuten, dass der militärische Nutzen des Grenzwalls für die Initiatoren womöglich nur zweitrangig ist.

Die Regierung in Kiew hat in dieser Woche medienwirksam mit den Bauarbeiten des Projekts „Stena – Mauer“ begonnen. TV-Sender zeigten Bilder von Arbeitern mit Drahtrollen. 8000 Militärstellungen sollen die Ukraine in Zukunft vor Moskauer Übergriffen schützen, dazu Befestigungsanlagen entlang der 2000 Kilometer langen Grenze zu Russland. Farbige Simulationen zeigen ein System von Stacheldrahtsperren, Wassergräben und mehreren Zäunen, nebst Straße für Grenzpatrouillen. Präsident Petro Poroschenko – vor den Parlamentswahlen Ende Oktober bereits erkennbar im Wahlkampfmodus – versprach Befestigungsanlagen „nach dem neuesten Stand der modernen Verteidigungswissenschaft“.

Das steht in einem gewissen Widerspruch zu der bislang einzigen verfügbaren Kostenkalkulation für das Projekt. Sie stammt von Igor Kolomoisky, er ist Gouverneur der Großstadt Dnipropetrowsk und Milliardär, ein Mann, der eigentlich korrekt kalkulieren können sollte. Kolomoisky hat von 100 Millionen Euro gesprochen, das entspricht Ausgaben von 50 Euro pro Meter, eine Summe für die Kolomoisky in Dnipropetrowsk womöglich ein Blumenbeet anlegen lassen könnte, aber keine Grenzfestung.

Die Mauer ist viel zu teuer

Laut Premierminister Arsenij Jazenjuk verfüge Kiew zwar über eigene Mittel für den ersten Bauabschnitt. Weitere Gelder erwägt er, bei Gebern im Westen einzuwerben. Den tatsächlichen Finanzierungsbedarf für das Projekt schätzen Experten allerdings viel höher, als die von Kolomoisky taxierten 100 Millionen Euro. Nikolaj Sungurowsky vom Kiewer Thinktank Rasumkow-Zentrum schätzt die Kosten für eine Grenzanlage nach dem Vorbild Israels auf mehrere Milliarden Euro. Kiew brauche das Geld aber dringend für wichtigere Zwecke, für den Wiederaufbau der Armee und Wirtschaftsreformen.

Die Bauarbeiten sind kompliziert

Die Grenze zwischen Russland ist nicht nur lang, sie ist auch unübersichtlich. An vielen Stellen ist sie nie formal markiert worden. Zwischen Luhansk und der Küste hat Kiew zudem die Kontrolle über die Grenze zu Russland verloren. Die Separatisten werden die Errichtung einer Mauer nicht dulden. Im Gegenteil: Sie wollen ja den Anschluss an Russland. Selbst wenn es Kiew gelänge, den Zaun um die Separatistengebiete herum zu bauen: Die Arbeiten würden wohl Jahre, nicht Monate in Anspruch nehmen, wie die Regierung beteuert.

Der Schutzwall ist militärisch nutzlos

Die Regierung in Kiew will „die ukrainische Grenze schnellstens vor dem Aggressor schließen“. Dafür sind Sperren wie die von der Ukraine geplante nicht geeignet. „Solche Anlagen stoppen illegale Einwanderer, Migranten und Terroristen, aber sie helfen nicht gegen bewaffnete Kräfte“, sagt Experte Sungurowsky. Reguläre Verbände der russischen Armee könnten die Sperranlagen leicht durchbrechen, schwer bewaffnete russische Freischärler wohl auch. Waffenlieferungen an die Separatisten im Osten könnten per Luft aus Russland erfolgen, in Luhansk kontrollieren die Rebellen den Flughafen. „Militärisch“, sagt Sungurowsky, „ist die Mauer nicht von Nutzen.“

Politisch aber vielleicht schon. Experte Sungurowsky spricht von einem „psychologischen Effekt“, der Mauerbau würde den Bruch mit dem slawischen Brudervolk Russland zementieren, genauso wie Kiews Wende nach Westen. Bei den Parlamentswahlen im Oktober kämpft Präsident Petro Poroschenko zudem um eine breite Mehrheit, um Reformen durchsetzen zu können. Der Kreml hat ihm mit der verdeckten Entsendung russischer Soldaten in der Ostukraine eine Niederlage beigebracht. Jetzt wollen Poroschenko und sein Premierminister Arsenij Jazenjuk Härte gegenüber Moskau zeigen. Der Politologe Denis Bogusch nennt die Mauerpläne deshalb auch eine „PR-Kampagne“.

Eine ziemlich teure – Geld, das die klamme Ukraine eigentlich gar nicht hat.

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