27. August 2014 · Kommentare deaktiviert für Mare Nostrum – Frontex: Weichen gestellt · Kategorien: Europa, Italien, Libyen · Tags: ,

Entscheidungen, die – nach heutigem Sprachgebrauch – als Verabredung zu „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gewertet werden können, werden im Stillen getroffen. Das heutige Treffen zwischen der EU-Kommissarin Cecilia Malmström und dem italienischen Innenminister Angelino Alfano kann sich als eine wirkungsvolle Weichenstellung erweisen, die in der knapp 5-minütigen Pressekonferenz

http://ec.europa.eu/avservices/video/shotlist.cfm?ref=I092071

nur für Insider erkennbar ist und deren Gehalt salamischeibchenweise in den kommenden zwei Monaten in den unterschiedlichsten EU-Gremien ausgestaltet und ausformuliert werden wird.

Mit dem heutigen Tag ist die Konfrontation zwischen der italienischen Regierung und der EU in der Frage von Mare Nostrum im Prinzip zuende. „Frontex Plus“ wird nach und nach „Mare Nostrum“ ersetzen – so wurde heute die Richtungsänderung bekannt gegeben.

Faktisch bedeutet dieser Schwenk nicht nur eine Europäisierung, sondern vor allem ein Wechsel von ungewollter Seenotrettung in historischem Maßstab (Mare Nostrum) hin zu Abwehr, Kollektivabschiebungen auf See und gesonderten Aufnahmeverfahren für ausgewählte Flüchtlinge in Nordafrika – also zu einem Massensterben von Boat-people im Kanal von Sizilien in noch größeren Dimensionen (Frontex Plus). Damit ist der Hauptwiderspruch zwischen italienischer Regierung und der EU in dieser Frage beseitigt.

Zwei Nebenwidersprüche existieren weiter:

1. Wird sich tatsächlich das italienische Militär (Mare Nostrum) der Polizei (Frontex) unterordnen?

2. Werden andere EU-Staaten wie Frankreich, Spanien, Deutschland und Finnland finanziell, kräftemäßig und anweisend in diese Mittelmeerabschottung einsteigen?

Die wichtigsten Hindernisse aber werden noch schärfer als zuvor hervortreten:

1. Die Flucht über das Mittelmeer wird inzwischen von einer Entschlossenheit und Erfahrung getragen, die nicht mehr einzudämmen ist.

2. Die beabsichtigten Abkommen für Kollektivabschiebungen auf See nach Ägypten, Tunesien und Marokko werden in Nordafrika auf großen Widerstand stoßen.

Damit ist vorgezeichnet, dass die EU einen forcierten Kurs auf zunehmenden Massentod im Mittelmeer und auf wachsende Auseinandersetzungen in der Flüchtlingsfrage einschlägt – im Inneren, im Mittelmeerraum wie auch in den nahöstlichen und südlichen Kriegsgebieten. Es gehört nicht viel dazu, ein künftiges, wenn auch blutiges Scheitern zu prognostizieren. Nicht ohne Grund wurden Libyen und die offenen Flüchtlingskämpfe an vielen Orten heute in der Brüsseler Pressekonferenz zu Mare Nostrum nicht genannt.

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