22. August 2014 · Kommentare deaktiviert für Menschenrechte ohne Grenzen, Newsletter 08 2014 · Kategorien: Italien, Libyen · Tags: ,

Menschenrechte ohne Grenzen e.V.

Newsletter August 2014

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Liebe Freundinnen und Freunde,

Mit diesem Rundbrief möchten wir Euch einen kleinen Überblick über die laufende Arbeit von borderline-europe geben. Natürlich kann das Alltägliche hier keinen Eingang finden, denn das würde den Rahmen eines Newsletters sprengen. Aktuelle Meldungen finden sich, wie gewohnt, auf unserer Homepage. Hier stellen wir neben Veranstaltungen einige Aktionen und Initiativen vor, an denen sich borderline-europe aktiv beteiligt.

Der Newsletter erscheint vierteljährlich.

Viel Spaß beim Lesen!

Das borderline-europe-Team.

  • Mare Nostrum und das Sterben auf See II
  • Verleihung des „Alexander Langer Preises“ an borderline sicilia
  • Verzweiflung und Todesangst treibt zu Gewalt unter Migranten auf hoher See
  • Aufnahmelager auf Lampedusa – Geschlossen und doch voll!?
  • Hart an der Grenze – Dreharbeiten auf Lesbos, in Spanien und Sizilien
  • Aktionsbündnis gegen die Dublin III -Verordnung
  • Menschenrechte in Seenot – 10 Jahre Cap Anamur
  • Das Haus der 28 Türen
  • Bundesregierung bringt restriktives Gesetzespaket auf den Weg
  • Termine und Vorankündigungen

Mare Nostrum und das Sterben auf See II

Seit Oktober 2013 läuft die Operation der Anfang August hat die Zahl der Migranten, die durch Mare Nostrum im Mittelmeer gerettet wurden 93.700 erreicht. Die Zahl ist besonders zum Sommer stark angestiegen, allein seit 1. Juli sind über 30.000 Migranten durch Mare Nostrum an das italienische Festland gebracht worden. Das italienische Militär hat trotz der ansteigenden Zahlen die Kapazitäten der Operation nicht erhöht, daher werden mehr und mehr zivile Schiffe in die Rettung mit einbezogen. Da die Marineschiffe die  geretteten Flüchtlinge immer nach Sizilien, Apulien oder Kalabrien bringen sind sie oft tagelang unterwegs und dementsprechend in der Rettungszone abwesend. Möglicherweist ist das auch ein Grund dafür, dass mehr Menschen im Mittelmeer sterben, weil die Hilfe oft zu spät kommt.

Offiziellen Angaben des UNHCR zufolge sind seit Anfang 2014 800 Menschen im Mittelmeer zwischen Nordafrika und Italien im der Straße von Sizilien gestorben. Unseren Zahlen zufolge sind allein in den drei Monaten von Mai bis Juli 2014 648 Personen gestorben (wenn man nur die tatsächlich geborgenen Leichen zählt). Nimmt man auch die im Mittelmeer Verschollenen mit auf, kommt man auf die Zahl von mindestens 1.403 Toten, die bei dem Versuch Italien zu erreichen ihr Leben lassen mussten.

borderline-europe hat ein kleines Dossier zu Mare Nostrum, den Rettungsaktionen, den Toten, den Anlandungen ohne Einsatz der Marine und den zeitverzögerten Abschiebungsverfügungen an Land erstellt. Interviews mit Migranten illustrieren die jeweiligen thematischen Punkte. Es soll einen Überblick über die Rettungssituation im Kanal von Sizilien geben, ohne dabei die politische Frage nach der Richtigkeit eines Militäreinsatzes gegen „Schlepper“ und zur Rettung von Migranten aufzunehmen. Das Dossier ist derzeit in Englischer Sprache verfasst, eine deutsche Übersetzung folgt (siehe Link unten).

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„Hart an der Grenze“ – Dreharbeiten auf Lesbos, in Spanien und Sizilien

Vom 30. Juni bis 16. Juli haben die Dreharbeiten zum Film „Hart an der Grenze“ in Griechenland auf der Insel Lesbos, in Spanien auf dem südlichen Festland und in der spanischen Exklave in Marokko Ceuta sowie in Italien auf Sizilien und Lampedusa stattgefunden. Ein großer Teil ist also geschafft –wir möchten uns für die vielen Spenden bedanken, ohne die die Dreharbeiten so nicht möglich gewesen wären. Die Aufnahmen sind im Kasten, aber es gibt noch viel zu tun: Das Material muss gesichtet werden, die Interviews müssen übersetzt werden, der Film muss geschnitten werden und so weiter. Für die weiteren Arbeiten brauchen wir noch finanzielle Unterstützung und würden gerne nochmal auf unser Spendenkonto zum Film hinweisen, das unter untenstehendem Link abrufbar ist.

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Verzweiflung und Todesangst treibt zu Gewalt unter Migranten auf hoher See

Am 19. Juli wurde ein Flüchtlingsboot etwa 80 Meilen südlich von Lampedusa durch ein dänisches Frachtschiff gerettet. Im Innenraum des Schiffs wurden 29 Leichen gefunden, am Oberdeck ein totes Baby. Eine weitere Person verstarb nach der Rettung. Das Boot mit den Leichen wurde nach Malta geschleppt und die Überlebenden 569 Migranten wurden von dem dänischen Schiff in einem sizilianischen Hafen an Land gebracht. Nach Aussagen der Überlebenden waren 750 Menschen an Bord, dementsprechend müssen mindestens 181 Menschen auf diesem Boot gestorben sein. Die Überlebenden berichten, dass die im Innenraum des Schiffs gefundenen Leichen nicht wie zuerst vermutet an den Abgasen des Motors erstickt sind, sondern von anderen Migranten erstochen und erschlagen wurden, um zu verhindern, dass sie ans völlig überfüllte Deck gelangten. Dabei sind auch viele Migranten ins Wasser gefallen und ertrunken. Unter Deck waren vor allem Ghanaer und Nigerianer, die weniger Geld bezahlt hatten und daher schlechtere und lebensgefährliche Plätze im Inneren des Bootes einnehmen mussten.

Aufnahmelager auf Lampedusa – Geschlossen und doch voll!?

Lampedusa steht noch immer symbolisch für die „boat-people“– doch seitdem seit Oktober letzten Jahres Flüchtlinge schon auf hoher See durch die Mare Nostrum Operation gerettet werden, kommen keine Flüchtlinge mehr in Lampedusa an. Das Lager ist offiziell wegen Bauarbeiten geschlossen. In den letzten Monaten haben es aber drei Flüchtlingsboote mit insgesamt 952 Menschen an Bord geschafft, im Hafen von Lampedusa anzukommen ohne vom Militär oder der Küstenwache gesehen zu werden. Als borderline-europe vom 14. bis 16. Juli für den Dreh des Films „Hart an der Grenze“ (siehe Homepage www.borderline-europe.de) auf Lampedusa waren, waren jedoch wieder Migranten im Lager untergebracht, unter ihnen auch Kinder. Seit Ende Juli ist das Zentrum erneut geräumt.

Termine und Vorankündigungen

Das Dublin-Verfahren – inhuman und bürokratisch
Eine Veranstaltung des Bildungswerks Berlin in Kooperation mit Asyl in der Kirche, dem Aktionsbündnis gegen Dublin III und borderline-europe
Montag, 29.9.2014, 19.00 Uhr, Passionskirche Berlin

Entführt, erpresst oder verschwunden: Zur Situation von Flüchtlingen auf dem Sinai
Eine Veranstaltung der Heinrich-Böll-Bundesstiftung und des Bildungswerks Berlin in Kooperation mit borderline europe
Donnerstag, 16.10.2014 18 Uhr, Schumann Str. 8, 10117 Berlin Heinrich-Böll-Stiftung

Verleihung des „Alexander Langer Preises“ an borderline sicilia
In diesem Jahr hat das wissenschaftliche Komittee der Alexander Langer Stiftung seinen internationalen „Alexander Langer“ Preis an den uns eng verbundenen Verein borderline sicilia vergeben. Die Überreichung erfolgte während der dreitägigen Tagung „Euromediterranea 2014“ vom 3. Bis zum 5. Juli in Bozen mit dem Titel: Borderlands: Migrazioni, Accoglienza: Alle Menschen (-Rechte) geschützt!“. Der Preis wird seit 1997 an Menschenrechtsaktivisten aus verschiedenen Ländern vergeben und die enge Kooperation zwischen borderline europe und borderline sicilia war der Anlass auch einen Vertreter von borderline europe einzuladen, der während einer Podiumsdiskussion die Gelegenheit hatte u.a. mit dem Präsidenten der italienischen Kommission zum Schutz der Menschenrechte über die Abschottungspolitik der EU, die davon ausgehenden Gefahren und Verstöße gegen die Menschenrechte sowie über politische Alternativen zu diskutieren.
Weitere Themen waren „Ruanda- 20 Jahre nach dem Genozid“ von Yolande Mukagasana (Preisträgerin 1998), die Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen in Italien,  und die Bedeutung von Kunst und Kultur, insbesondere von Sprache, Erinnerung und Geschichten im Zeichen der Globalisierung und die Fähigkeit Netzwerke der Gegenseitigkeit und der gemeinsamen Güter durch Zuhören, Kreativität und das entwickeln einer Willkommenskultur zu schaffen. Ein kultureller Höhepunkt war die Eröffnung mit dem Theaterstück „Tong Men-g“ des chinesisch-italienischen  Künstlers Shi Yang Shi (https://www.youtube.com/watch).

Menschenrechte in Seenot – 10 Jahre Cap Anamur
2004 verließ die „Cap Anamur“, Hilfs- und Rettungsschiff der gleichnamigen humanitären Organisation, ihren Heimathafen Lübeck, um Menschen in Not beizustehen. Zehn Jahre – und unzählige Tote – später wurde in der Jakobikirche in Lübeck darüber debattiert, was sich am Umgang mit Flüchtlingen und MigrantInnen im Mittelmeer seitdem geändert hat, und was sich dringend ändern müsste. Bei der Veranstaltung am 20. Juni in der Jakobikirche in Lübeck wurde sowohl die EU-Politik der Abschottung und Abschreckung als auch der behauptete afrikanische „Massenansturm“ auf die Wohlstandsfestung Europa hinterfragt und diskutiert. Teilgenommen haben Stefan Schmidt (damals Kapitän der Cap Anamur), Elias Bierdel (damals Vorsitzender der Organisation), Aminu Munkaila (einer der damals Geretteten) und Gergishu Yohannes, Gründungsmitglied des Vereins „Tod im Mittelmeer“ . Unter dem weiterführenden Link finden Sie einige gesammelte Presseberichte zur Geschichte der „Cap Anamur“.

Bundesregierung bringt restriktives Gesetzespaket auf den Weg
Am 2.  Juli hat die Große Koalition in einer Überraschungsaktion die Gesetzentwürfe zu den sicheren Herkunftsstaaten, gemeint sind damit  die drei Balkanländer Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina, und zur Änderung der Optionspflicht noch auf die Tagesordnung des Bundestages für den 3. Juli setzen lassen, wo sie dann auch beschlossen wurden. Die Regelung zu den sicheren Herkunfststaaten richtet sich hauptsächlich gegen Sinti und Roma, deren  Asylanträge damit  leichter abgelehnt werden können. Diese Verschärfung des Asylrechts wird durch eine Reihe weiterer  Referentenentwürfe u.a. zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, zur Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes, zum Freizügigkeitsgesetz etc. begleitet.
Heribert Prantl von der Süddeutschen zeitung hat in einem Kommentar am 9. Mai 2014 den Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts folgendermaßen charakterisiert: „Er ist das Schärfste und Schäbigste, was einem deutschen Ministerium seit langem eingefallen ist.“ Bislang hat die Bundesregierung für dieses Gesetz noch keine Mehrheit im Bundesrat, da die Grünen und die Linken in den jeweiligen Landesregierungen dieses Gesetz ablehnen. Voraussichtlich am 19.9.2014 soll im Bundesrat darüber abgestimmt werden. Amnesty International ruft die Grünen und die Linken auf, sich auf keinen Deal mit der Bundesregierung einzulassen und bei ihrer Ablehnung dieses Gesetzes zu bleiben. Es ist davon auszugehen, dass aus Anlass dieser Abstimmung zu Protestaktionen aufgerufen werden wird, um diese massive Verschärfung des Asylrechts zu verhindern. Aktuelle Ankündigungen werden folgen.

Das Haus der 28 Türen
Vom 26.08. bis zum 09.08. fand im Haus der 28 Türen auf dem Tempelhofer Feld zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Flucht, Migration und Asyl statt. Neben Theatervorstellungen, wie z. B. die Aufführung der Asyl Monologe und des Theaterstücks „Grenzfälle“, gab es Filme zur Residenzpflicht und Vorträge und Diskussionen zu europäischer Flüchtlingspolitik – u. a. mit Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International und Reporter ohne Grenzen. Auch eine sich etablierende Willkommenskultur und die  Flüchtlingsproteste  in Berlin wurden thematisiert.
Das Projekt war eine Zusammenarbeit von borderline-europe mit der Berlin-Dresdner Künstlergruppe Bewegung Nurr (Florian Güpfert/Alekos Hofstetter/Christian Steuer), die die Struktur konzipiert hat. Es setzt sich mit der Situation von Flüchtlinge und Migrant_innen auseinander, die auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben unter schwierigsten Umständen und Entbehrungen nach Europa kommen, insbesondere auch derjenigen, die nach Deutschland und Berlin gelangen. Nach dem Auslaufen des Kunstprojekts wurde das Haus der 28 Türen vorsichtig abgebaut, um danach als Infopoint für die Flüchtlingsproteste auf dem Kreuzberger Oranienplatz wieder aufgebaut zu werden.

Aktionsbündnis gegen die Dublin III-Verordnung
In den vergangenen Wochen haben sich betroffene Geflüchtete, die in der Regel vor Krieg, Verfolgung, Folter und Misshandlung geflohen sind sowie ihre Unterstützer_innen in Berlin zu einem Aktionsbündnis gegen die Dublin III-Verordnung, d. h. gegen die schematische Verschiebung von Flüchtlingen zwischen den EU-Staaten, zusammengeschlossen.
Flüchtlinge berichten, dass sie von den europäischen Mitgliedsstaaten an den Außengrenzen unter Gefährdung des Lebens an der Einreise über See gehindert wurden, misshandelt wurden, lange Zeit in Haft gehalten wurden und keinen Zugang zum Asylverfahren und keine Unterkunft, keine materielle Versorgung und keine medizinische Hilfe erhalten haben. Nun sollen sie in genau diese Länder abgeschoben werden. Borderline-europe engagiert sich im Bündnis, das sich wöchentlich trifft um Aktuelles zu besprechen und neue Aktionen zu planen – mit dem Ziel, solche Abschiebungen zu verhindern. Dazu gehören Demos und die Dokumentation von Zeugenberichten.

Aktionstreffen: Montags, 16 Uhr im BBZ, Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrant_innen in der Turmstraße 72, Berlin

Solidarität braucht Ihre Hilfe – unterstützen Sie borderline-europe

 

ÜBER UNS
An den Außengrenzen der Europäischen Union finden immer mehr Menschen auf der Suche nach einem menschenwürdigen Leben den Tod. Sie fliehen vor der Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen durch Kriege, Umweltkatastrophen, ungerechte Wirtschafts- und Handelsbedingungen und sie fliehen vor den gewalttätigen und diskriminierenden gesellschaftlichen Verhältnissen in ihren Herkunftsländern.

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