In Italien sorgt ein Video für Empörung. Darauf ist zu sehen, wie eine Fregatte der Marine auf ein Boot mit 176 Flüchtlingen feuert. Das Militär verteidigt sich mit einer merkwürdigen Begründung.
Rom – Es ist der 9. November 2013. Der Himmel über dem Kanal von Sizilien ist wolkenverhangen, auf der Fregatte „Aliseo“ der italienischen Kriegsmarine hält ein Mann ein Mobiltelefon in der Hand und filmt ein Flüchtlingsboot mit 176 Menschen darauf. Das Boot scheint auf der Flucht zu sein, es versucht Abstand zu gewinnen von dem mit Raketen und Torpedos bewaffneten Kriegsschiff in etwa 40 Meter Entfernung.
Plötzlich sind zwei Salven aus einem Maschinengewehr zu hören, dann neun Einzelschüsse. Mindestens zwei Kugeln landen knapp hinter dem Heck des Flüchtlingsboots im Wasser.Die Online-Ausgabe der römischen „Repubblica“ veröffentlichte jetzt das Video vom November, das von der Partei für den Schutz von Militärangehörigen und Polizeikräften (PDM) in Rom präsentiert werden soll und im Vorfeld der Staatsanwaltschaft von Neapel vorgelegt wurde.
Gewagte Fluchtmanöver
Die Aktion sei in strenger Abstimmung mit den Justizbehörden erfolgt und habe zur Festnahme von 16 mutmaßlichen Menschenhändlern geführt, betonte die italienische Kriegsmarine in einer Stellungnahme. Der Schiffsführer sei mehrfach über Funk aufgefordert worden, Inspekteure an Bord zu lassen – vergeblich. Das Flüchtlingsboot sei in gefährlich schlechtem Zustand und kaum noch zu manövrieren gewesen, hieß es in der Mitteilung.
Das Schiff „Aliseo“ hatte in internationalen Gewässern die Verfolgung des Bootes aufgenommen, als dessen Kapitän versuchte, sich durch gewagte Fluchtmanöver einer Festnahme zu entziehen. Erst nach zwei Stunden hätten die Schleuser aufgegeben und die Marine an Bord gelassen.
Bei den Warnschüssen habe es sich um die letzte mögliche Maßnahme gehandelt, das Boot zu stoppen. Der Waffengebrauch sei erst erfolgt, als „absolut sicher war, dass die Menschen an Bord des Bootes nicht gefährdet waren“. Die meisten von ihnen sollen aus Syrien stammen. Die Flüchtlinge wurde auf die Fregatte gebracht, das Boot in den Hafen von Catania geschleppt.Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Neapel die Ermittlungen in dem Fall aufgenommen. Es soll geklärt werden, ob die Schüsse eine potentielle Gefahr für die Menschen an Bord darstellten und ob die Besatzung der „Aliseo“ womöglich Dienstvorschriften missachtete. Die „Repubblica“ berichtet, dass die festgenommenen, mutmaßlichen Menschenhändler aus Ägypten nicht bewaffnet gewesen seien. Dies ist nicht bestätigt. Ebenso unklar ist, ob man an Bord der „Aliseo“ darüber informiert war.
Die „Aliseo“ ist im Rahmen der Flüchtlingsrettungsoperation „Mare Nostrum“ im Mittelmeer im Einsatz. Die italienische Regierung hatte die Aktion ins Leben gerufen, nachdem im Herbst mehrere hundert Migranten auf See ums Leben gekommen waren. Insgesamt sind an „Mare Nostrum“ fünf Schiffe, vier Flugzeuge und vier Helikopter der Marine beteiligt.
ala