Feuer auf Wehrlose
Griechische Küstenwache schießt – dem Dienstprotokoll folgend – auf Boot mit syrischen Flüchtlingen. Drei Verletzte
Von Heike Schrader
Zum zweiten Mal in diesem Jahr steht die griechische Küstenwache im Verdacht, Flüchtlinge unter Einsatz von Waffen in türkische Gewässer zurückgedrängt zu haben. Bei einem Vorfall, der sich bereits am 6. März ereignete, wurden nach Angaben der griechischen Wasserpolizei drei syrische Flüchtlinge verletzt. Die Küstenwache hatte versucht, ein Schnellboot, auf dem sie mitfuhren, mit Schüssen zu stoppen. Nach Angaben der Behörden hatte der Bootsführer versucht, der Küstenwache mit »gefährlichen Manövern« zu entkommen. Die Beamten hätten daraufhin, wie im Protokoll für solche Fälle vorgesehen, das Feuer eröffnet. Eine Frau wurde schwer verwundet, zwei Männer wurden leicht verletzt.
Nach Angaben des »Netzwerks sozialer Unterstützung für Flüchtlinge und Migranten« hat sich das Ereignis jedoch ganz anders zugetragen. Ein Mitglied der griechischen Organisation, das gleichzeitig Vertreter der syrischen Gemeinde in Athen ist, konnte mit einem der auf der griechischen Insel Chios internierten Flüchtlinge telefonieren, bevor diesem von Polizisten das Handy weggenommen wurde. Demnach seien 16 Flüchtlinge, alle aus Syrien, an Bord gewesen. »Als uns das Boot der Küstenwache bemerkte, wurden wir mit Waffen bedroht und aufgefordert, in die Türkei zurückzukehren«, zitierte das Netzwerk den Mann: »Einer von uns, der gut Englisch spricht, stand auf und begann mit den Beamten zu sprechen und ihnen zu erklären, daß wir aus Syrien sind und nicht zurück wollen.« Daraufhin habe die Küstenwache in die Luft geschossen. Als der Syrer ihnen erklärt habe, sie würden selbst dann nicht zurückkehren, wenn man sie umbringe, hätten die Beamten das Feuer auf die Flüchtlinge eröffnet. Der Bericht des Netzwerks wird von der Aussage eines weiteren Flüchtlings bestätigt, die auf Youtube veröffentlicht wurde.Bereits im Januar war bekanntgeworden, daß die griechische Küstenwache versucht hatte, ein mit 25 afghanischen und drei syrischen Flüchtlingen besetztes Boot mit hoher Geschwindigkeit in türkische Hoheitsgewässer zurückzuschleppen. Als dieses dabei kenterte, starben drei Frauen und neun Kinder. Nach Recherchen der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl sind solche illegalen, für die Flüchtlinge lebensgefährlichen »Push-Back-Operationen« keine Einzelfälle. Die Organisation hatte im November vergangenen Jahres einen entsprechenden Bericht mit Zeugenaussagen von 90 Flüchtlingen präsentiert, die ähnliche Angriffe an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland schilderten.
via 12.03.2014: Feuer auf Wehrlose Tageszeitung junge Welt