09. März 2012 · Kommentare deaktiviert für Ein Jahr Warten in der Wüste · Kategorien: Libyen, Tunesien · Tags: ,

Zeit für Perspektiven für die Menschen in Choucha!

Nachdem sich die Jahrestage der Revolutionen in Tunesien und Ägypten zum ersten Mal jährten, ist es nun auch bald ein Jahr her, dass die Revolte in Libyen zu einem Krieg mit NATO-Beteiligung wurde, der für zehntausende Menschen die Flucht aus Libyen bedeutete. Für viele von ihnen war es nicht die erste Flucht. So war Libyen ein wichtiger Ort für subsaharische AfrikanerInnen um Geld zu verdienen, dass in vielen Fällen für die Weiterreise nach Europa dienen sollte.

Die Flucht eben jener subsaharischen AfrikanerInnen aus Libyen endete nur einige Kilometer hinter der libysch-tunesischen Grenze im vom UNHCR, auf einer tunesischen Militärbasis in der Wüste, errichteten Flüchtlingslager. Während die libyschen Flüchtlinge von tunesischen Familien und in den Städten im Inneren des Landes aufgenommen wurden, fanden sich im
Frühling 2011 in Choucha etwa 20 000 Menschen aus anderen afrikanischen Ländern und sogar mehrere Hundert aus Asien Zuflucht.

Im Mai eskalierte die Situation um das Camp, als Dreiviertel der Zelte niederbrannten und mindestens vier Menschen starben. (www.afrique-europe-interact.net/)

Und heute, nach einem Jahr des Wartens in Zelten in der Wüste ergibt sich für diejenigen, die vom UNHCR den Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen haben, die Perspektive, dass sie bei dem momentanen Tempo des  Resettlement-Programms durch die Länder des Nordens, möglicherweise noch einige Jahre in diesem Wüstenlager in der Untätigkeit ausharren
müssen.

Dieses heuchlerische Hinhalten muss ein Ende haben. Nicht wenige Menschen, die vorübergehend in Choucha Zuflucht gefunden haben, waren des Wartens müde und haben sich eigenständig auf den Weg nach Europa gemacht.

Im Jahr 2011 sind über 2000 Menschen bei dem Versuch nach Europa zu gelangen im Mittelmeer ertrunken, eine wesentliche Mitschuld daran trägt die europäische Abschottungspolitik von der die Hinhalte-Taktik in ausgelagerten Selektionslagern wie Choucha ein Teil ist.

Während sich eine Delegation nach der anderen durch einen Besuch im Camp und der Zusicherung einiger Resettlement-Plätze versucht die Weste rein zu waschen, leben dort immer noch etwa 3000 MigrantInnen unter schwer ertragbaren Umständen. Es gilt also den Druck auf die Regierungen Europas zu intensivieren.

Unzufrieden sind auch die vom UNHCR abgelehnten MigrantInnen. Sie erklärten, ebenso wie anerkannte Flüchtlinge, dass das Interviewsystem mit dem über den offiziellen Flüchtlingsschutzstatus und die Aussicht auf Resettlement entschieden wird, eine Farce sei. Nicht nur, dass vor dem Interview keinerlei Rechtsberatung stattfindet, hinzukommt, dass es während des Interviews keine professionelle Übersetzung gibt, sondern andere MigrantInnen mit Englischkenntnissen übersetzen. Von einer angemessenen Wahrung der Intimität eines solchen Interviews keine Spur, die MigrantInnen können sich nicht einmal sicher sein, dass ihr Anliegen richtig verstanden wird, eine Rückübersetzung gibt es nicht.

Eine besonders fahrlässige Behandlung ihres Schutzgesuchs erhielten die NigerianerInnen. Am 10. September kam der nigerianische Botschafter auf Einladung des UNHCR nach Choucha. Laut Aussage einiger NigerianerInnen führte er ein etwa vierstündiges Gespräch mit dem UNHCR und dem tunesischen Militär, bevor er alle NigerianerInnen zu sich rief um sie vor den Augen des Militärs zu beschimpfen, ihnen zu erklären, dass er ihre Schutzgesuche beim UNHCR studiert hätte, und dass sie LügnerInnen seien, weswegen sie bei der Rückkehr nach Nigeria ein Gerichtsverfahren erwarte.

Alle abgelehnten Schutzsuchenden erhielten vom UNHCR die Aufforderung das Lager innerhalb von zwei Wochen zu verlassen und entweder nach Libyen oder in ihr Herkunftsland zurück zu kehren. Diese Aufforderung wird mit der Information unterlegt, dass ihre Namen dem tunesischen Militär vorliegen würden, dass sie sich seit der Ablehnung illegal in Tunesien aufhielten und dass das Militär sie jederzeit abschieben kann. Eine solche Behandlung von Schutzsuchenden ist skandalös!

Die nigerianische Community bittet vor allem um rechtliche Unterstützung und fordert alle solidarischen Menschen auf, sich bei der Suche nach MenschenrechtsanwältInnen, die sich ihrer Fälle annehmen möchten, zu beteiligen.
In Tunesien hat sich eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit den NigerianerInnen in Choucha solidarisiert und die Praktiken des UNHCR kritisch untersuchen möchte. Die Gruppe sucht nach Kontakten zu solidarischen AnwältInnen, die auf Menschenrecht spezialisiert sind.

– Verbreitet diese Informationen weiter! In Kürze wird sich auch ein ausführlicher Bericht auf boats4people.org finden.
– Führt Aktionen durch, die die Verbreiterung und schnellere Durchführung des Resettlement-Projektes, sowie vertretbare Optionen für die abgelehnten MigrantInnen in Choucha fordern!
– Teilt uns eure Informationen bezüglich MenschenrechtsanwältInnen mit und vernetzt verschiedene Kampagnen, die Kritik am UNHCR üben!
Wenn ihr für eure laufenden Kampagnen aktuelle Informationen braucht, könnt ihr uns bis zum 10. März Fragen an regensonne@gmx.net schicken, die wir bei unserem nächsten Besuch mit nach Choucha nehmen können. Wir stehen mit einigen Communities im telefonischen Kontakt, so dass dringende Infos auch per Telefon kommuniziert werden können.

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