EU-Grenzen zu Nordafrika und Osteuropa sollen mit Drohnen überwacht werden
Matthias Monroy
Studie OPARUS (von dem Europäischen Rahmenforschungsprogram FP7 gefördert): http://www.oparus.eu/
Rüstungskonzerne und Luftfahrtinstitute drängen auf Drohnen zur Überwachung der EU-Außengrenzen. Es geht zunächst um Weißrussland, Lettland, Marokko, Tunesien und Libyen
Seit Jahren fördert die EU-Kommission Forschungen zur Nutzung von unbemannten Plattformen zur Grenzüberwachung. Hintergrund ist die Errichtung des Grenzüberwachungssystems EUROSUR, das dieses Jahr in mehreren Mitgliedstaaten in Betrieb geht und deren Aufklärungskapazitäten zusammenschalten soll. Als Zentrale dieses sogenannten „Konzepts der virtuellen Grenzen“ fungiert das Hauptquartier der EU-Grenzüberwachungsagentur FRONTEX in Warschau (Militarisierung des Mittelmeers). Eine Studie schlägt nun konkrete Einsatzgebiete für Drohnen vor.
Die Aufrüstung der EU-Außengrenzen erreicht eine neue Dimension: Die mittlerweile beendete Studie „Open Architecture for UAS based Surveillance System“ (OPARUS) definiert drei großflächige Regionen, in denen die Grenzpolizei zukünftig unbemannte Luftfahrtsysteme einsetzen könnte. Es geht dabei nicht um die Rettung Schiffbrüchiger: In Projektbeschreibungen ist lediglich von der Bekämpfung „illegaler Migration“ und „Schmuggel“ die Rede.
Im Bereich der Überwachung von Landgrenzen sollen Drohnen an der östlichen Grenze Polens eingesetzt werden. Dabei handelt es sich um jenes Gebiet, das an Weißrussland, Litauen und die russische Exklave Kaliningrad angrenzt. Betont wird, dass Polen nach seinem EU-Beitritt eine wichtige Funktion als EU-Außengrenze übernimmt. Als aufzuklärende Objekte werden Einzelpersonen ebenso wie Gruppen, aber auch Autos und Lastwagen genannt. „OPARUS“ schlägt vor, dass Polen zwei große Drohnen beschaffen könnte. Möglich sei aber auch der Kauf lediglich einer Drohne mit hoher Reichweite sowie zehn kleinerer Drohnen.
Für die seeseitige Überwachung mit unbemannten Plattformen gelten das südliche Mittelmeer und die Kanarischen Inseln im Atlantik als Zonen, in denen die Flugroboter auf die Jagd nach Migranten gehen könnten. Für das Mittelmeer werden gleich drei Interessengebiete genannt: Die See zwischen Tunesien, Libyen und der italienischen Insel Lampedusa; zwischen Tunesien, dem libyschen Bengasi und Malta bzw. Sizilien sowie die Straße von Gibraltar.
Szenarien für kleinere und große Drohnen
Eine der Arbeitsgruppen von „OPARUS“ hatte rund 250 verschiedene Drohnen verschiedener Hersteller untersucht. Berücksichtigt wurden sowohl Starrflügler als auch Helikopter-Drohnen. Während zahlreiche europäische Hersteller kleinere und mittlere Drohnen anbieten, werden Drohnen mit größerer Reichweite hauptsächlich von israelischen und US-amerikanischen Konzernen gefertigt. Auch diese wurden bei „OPARUS“ auf ihre Nutzung für die Grenzüberwachung untersucht. Laut der Projektbeschreibung haben hierfür mehrere Simulationen stattgefunden. Welche Typen dafür genutzt wurden, wird aber nicht mitgeteilt. Womöglich wurde aber auf Ergebnisse anderer Projekte zurückgegriffen, an denen auch deutsche Institute oder Firmen beteiligt sind (Drohnen bald auch für Inlandsgeheimdienst und Bundeskriminalamt?).
In der Studie werden drei Szenarien für den Einsatz unbemannter Systeme genannt. Die Drohnen könnten zunächst als Unterstützung von Küstenwachschiffen eingesetzt werden. Denkbar sei aber auch die Unterstützung vorhandener Küstenüberwachung, wie es in Spanien bereits seit Jahren im Projekt SIVE betrieben wird. Als weitere Möglichkeit werden Überwachungsflüge auch außerhalb der Hoheitsgebiete Italiens oder Spaniens aufgeführt. Während für die küstennahe Überwachung auch kleinere Drohnen genutzt werden könnten, müssten hierfür sogenannte MALE-Drohnen (Medium Altitude Long Endurance) geflogen werden.
Handreichungen werden aber auch zur Nutzlast, also den mitgeführten Überwachungssystemen sowie der Kontrollstation gegeben: Während wegen der bewaldeten Flächen in Polen eher Infrarotkameras verwendet werden müssten, könnten über dem Meer maritime Radargeräte eingesetzt werden. Stets sollten aber auch andere Quellen eingebunden werden, etwa Radarüberwachung oder Satellitenaufklärung.
Wie die meisten EU-Forschungsprojekte startete „OPARUS“ mit der Befragung zukünftiger „Endnutzer“. Gemeint sind jene Behörden, die für die Grenzüberwachung zuständig sind. Dies obliegt in manchen Ländern jedoch dem Militär oder ihm unterstellten Gendarmerien. So versammelten sich bei „OPARUS“ Grenzsoldaten aus Spanien und Malta mit quasi-militärischen Grenztruppen aus Polen und Lettland sowie der italienischen Guardia Di Finanza.
FRONTEX durfte im ersten Treffen von „OPARUS“ „Hot Spots“ unerwünschter Migration bestimmen. Erst dann begann die eigentliche Studie. Die Grenzschutzagentur ist dieses Jahr selbst mit der Erprobung unbemannter Luftfahrzeuge beschäftigt (Frontex geht in die Luft).
Im Projekt „OPARUS“ trafen alle großen europäischen Drohnenbauer zusammen, um Ergebnisse früherer Forschungsprogramme zur Nutzung von Drohnen zusammenzuführen. Ziel war die Entwicklung gemeinsamer Standards, damit die Systeme verschiedener Länder synchronisiert werden können. Mit dabei waren Sagem, Thales und Dassault Aviation (Frankreich), BAE Systems (Großbritannien), SELEX (Italien), der israelische Hersteller IAI sowie ein spanischer Ableger der deutsch-französischen Firma EADS. Dort fand das zweite konstituierende „OPARUS“-Treffen statt.
Neben den Rüstungskonzernen beteiligten sich auch die wichtigsten Luft- und Raumfahrtinstitute, die mit finanzieller Unterstützung der EU-Kommission ebenfalls langjährige Erfahrungen im Bereich unbemannter Systeme sammeln konnten. Hierzu gehören neben der polnischen Luftwaffe und dem Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Einrichtungen INTA (Spanien) und ONERA (Frankreich). Ähnliche Tests hat die deutsche Bundespolizei seit 2011 über der Ostsee begonnen.
Die drei Institute DLR, INTA und ONERA forschen unter Beteiligung italienischer und französischer Militärs und Grenzpolizeien an der Eignung von Drohnen der Typen „Heron“ und „Predator“ zur Grenzüberwachung. Im Frühjahr fand erstmals ein Flug im spanischen zivilen Luftraum statt.
In einem anderen EU-Vorhaben werden unter dem Akronym „AEROCEPTOR“ Möglichkeiten zum Angriff polizeilicher Drohnen aus der Luft entwickelt (EU will polizeiliche Drohnen bewaffnen). Genutzt werden wohl Helikopter-Drohnen des Typs „Yamaha Rmax“, deren Flugeigenschaften ONERA bereits seit 2006 evaluiert. Im Sommer 2015 sollen in AEROCEPTOR erste Testflüge stattfinden. An welchem Ort ist noch nicht klar, allerdings sollen sie entweder in Frankreich an einem Standort der ONERA oder beim INTA in Spanien stattfinden. Zu den weiteren Partnern gehören der israelische Drohnenhersteller IAI und die polnische Firma PIAP, die bereits im Auftrag der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX als Prototypen zwei Landroboter für die Grenzüberwachung gebaut hatte.
In Spanien haben sich mittlerweile zwei militärische Standorte zu Drohnen-Teststrecken gemausert: Die „Heron“ wird von einem Flugplatz nahe der Stadt Murcia geflogen. In Matacán bei Salamanca unterhält das Militär eine weitere Einrichtung, von wo umfangreiche Testflüge von Drohnen verschiedener Hersteller ausgeführt werden. Zu den Partnern gehört auch EADS. In Matacán führt die spanische Luftwaffe inzwischen Schulungen durch, in denen sich Interessierte zu zertifizierten Drohnenpiloten ausbilden lassen können. Das spanische Luftfahrtgesetz wurde hierzu in den letzten Jahren mehrfach geändert.
Polizeiliche Missionen könnten zunehmend automatisiert erfolgen
Auch „OPARUS“ widmete sich der Vereinheitlichung von gesetzlichen Standards und schlägt einen dreistufigen Ansatz vor, um Drohnen bald in allen EU-Mitgliedstaaten zur Grenzüberwachung einsetzen zu können. Demnach könnten Flugroboter heutzutage bereits auf Sicht gesteuert oder in gesperrten Lufträumen geflogen werden.
Ab 2014 würden laut „OPARUS“ teilautomatisierte Ausweichsysteme gewährleisten, dass zunehmend auch der zivile Luftraum durchquert werden könnte. Dann könnten Drohnen entweder in Höhen über anderen Flugzeugen verkehren oder es könnten temporäre Korridore eingerichtet werden. In Frankreich werden ähnliche Verfahren als „smart segregation“ bezeichnet. Im Frühjahr wurde ein derartiger Flug in einem EU-Projekt in Spanien unter Beteiligung von Fluglotsen erfolgreich demonstriert. Zum Einsatz kam eine israelische „Heron“, vorher hatte das deutsche DLR umfangreiche Simulationen beigesteuert.
Langfristig freuen sich die Beteiligten von „OPARUS“ schließlich auf Pläne der Europäischen Union, die unbemannte und bemannte Luftfahrt im „Einheitlichen Europäischen Luftraum“ zusammenzuführen (EU will zivilen Luftraum für schwere Drohnen öffnen). Dann könnten die Drohnen sogar teilautomatisierte Missionen fliegen. Würden die Systeme wie vorgeschlagen EU-weit standardisiert, seien sogar grenzüberschreitende polizeiliche Einsätze im europäischen Luftraum möglich.