19. September 2016 · Kommentare deaktiviert für UN-Flüchtlingsgipfel in New York: „Es drohen fatale Entscheidungen“ · Kategorien: FFM-Texte, Hintergrund

Quelle: SWR

Kulturgespräch am 19.9.2016 mit Helmut Dietrich, Forschungsgesellschaft Flucht und Migration

29. Februar 2016 · Kommentare deaktiviert für Kommentar: Europe in Limbo · Kategorien: FFM-Texte, Kommentar

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Während diese Zeilen geschrieben werden – Ende Februar -, spitzt sich die Lage in Idomeni noch einmal dramatisch zu. 7000 Migrantinnen stehen vor dem Tor nach Mazedonien, einem doppelten Drahtzaun und einem Schützenpanzer gegenüber. Gestern wurden 150 Menschen durchgelassen, erfasst und mit dem neuen Papier versehen. Weitere Zehntausend befinden sich in Zwischenlagern, auf Plätzen und in Parks in Athen oder versuchen, Idomeni zu Fuß auf der Autobahn zu erreichen.

Derweil kommen durchschnittlich 3000 Migrantinnen täglich auf den griechischen Inseln an. Die Wetterlage ist stabil. Die Regierung versucht, die Migrantinnen vorübergehend auf Fähren vor den Inseln aufzuhalten.

Mehr als hunderttausend Migrantinnen sind seit dem 1. Januar auf den Inseln ankommen, die Herkunftsländer sind Syrien 44%, Afghanistan 29%, Irak 17%, Iran 4%, Pakistan 3%, alle anderen 3%. 37% sind Kinder, 21% Frauen, 42% Männer. Die Migrantinnen reagieren auf die Einschränkung des Familiennachzugs. Zunehmend stehen Familien mit Kindern vor dem Zaun in Idomeni.

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15. Dezember 2015 · Kommentare deaktiviert für Das Jahr V der arabischen Revolution · Kategorien: FFM-Texte, Hintergrund, Tunesien

[In gekürzter Fassung ist dieser Text in Analyse & Kritik 611 / 15.12.2015 erschienen. Wir veröffentlichen den vollständigen Artikel.]

Restauration, Islamismus, Migration – was ist aus den revolutionären Aufbrüchen geworden? Das Beispiel Tunesien

von Helmut Dietrich

Im fünften Jahr greift die arabische Revolution erneut nach Europa über. Im Frühjahr 2011 brachen Zehntausende auf dem Weg der Reisefreiheit nach Italien auf. Nun haben die syrischen Flüchtlinge, zusammen mit Flüchtlingen und MigrantInnen aus Afghanistan und afrikanischen Regionen, die Festung Europa zum Einsturz gebracht, eines der modernsten Dispositive des Sicherheitswahns weltweit. Zugleich wird der Islamische Staat (IS) unter vielen Jugendlichen populär, die vor fünf Jahren ProtagonistInnen der Erhebungen waren, und verbindet sich mit migrantischen Vorstadt-Unruhen der europäischen Metropolen. In welchen Kategorien lässt sich die arabische Revolution in ihrem fünften Jahr beschreiben? Welche Bedeutung kommt dem IS in diesem Kontext zu? Anhand von Tunesien, wo die Arabellion begann, soll die Bestandsaufnahme und Analyse erfolgen.

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16. November 2015 · Kommentare deaktiviert für Kommentar: Fähren jetzt! · Kategorien: Deutschland, Europa, FFM-Texte, Kommentar, Türkei · Tags:

Politikerinnen sind in gewisser Hinsicht Menschen wie Du und ich: auch sie können Elend schlecht mit ansehen. Sie finden es richtig, die Bilder von angeschwemmten Kinderleichen aus den Medien zu verbannen. Beim Besuch von Flüchtlingslagern finden sie menschliche Worte. Siegmar Gabriel wurde im Juni schwach. Die Not der Flüchtigen aus Syrien sei offenkundig. Neue, legale Zugangswege seien gefragt: Fähren!1

Angela Merkels einsichtiger Moment überkam sie beim Fernsehen, beim Anblick der Bilder von verzweifelten Migrantinnen auf der Balkanroute. Das war am 3. September, und der Marsch von Keleti aus kam in Bewegung. Aufgrund von Merkels Entscheidung wurde ein dramatischer Rückstau der Migrantinnen auf dem Balkan mit Szenen von Drahtverhauen, Massenpanik, Schießbefehl, tot getretenen Kindern und eine Destabilisierung des Balkan selbst vermieden. Im Gespann mit den österreichischen Kanzler Faymann hätte Merkel den Friedensnobelpreis in diesen Stunden wirklich verdient. Sechs Wochen lang schien es sogar, als könne Merkel auf ein stabiles Fundament der deutschen Zivilgesellschaft bauen.

Das Meer der Ägäis ist im Sommer ruhig, im Herbst stürmisch. An stürmischen Tagen sinken die Preise für die Passage mit einem Schlauchboot, weil das Risiko steigt: mehr Menschen ertrinken, zuerst die Kinder. Dennoch nimmt die Zahl der Passagiere nicht ab. Die Menschen, die dem syrischen Kessel entkommen sind, oder diejenigen, die die Grenzen von Afghanistan in den Iran und dann die Grenze zur Türkei unter Beschuss und Todesdrohung überquert haben, lassen sich vom Risiko einer Bootspassage so kurz vor ihrem Ziel nicht abschrecken.

In der letzten Oktoberwoche erwuchs eine neue, dramatische Situation. Die Passage durch den Balkan war trotz Orban und alledem einigermaßen sicher, aber die Ertrinkenden der Ägäis machten Schlagzeilen.

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11. Oktober 2015 · Kommentare deaktiviert für Die Vernunft des Großen Kapitals · Kategorien: Europa, FFM-Texte, Kommentar

Ein Kommentar zum Vorschlag von George Soros

Es gibt einen Zusammenhang von Austerität und Flüchtlingselend, auf den vor 30 Jahren Michael Marrus in seinem Standardwerk über die Flüchtlingsbewegungen des 20. Jahrhunderts hingewiesen hat. „Refugees, one might argue, always arrive at the wrong time“, schreibt er in seinem Buch ‚Die Unerwünschten‘.1 Das letzte Jahrhundert kannte nur wenige Ausnahmen von dieser Regel, so die deutschen Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg, die in einer Situation des dollarfinanzierten Wiederaufbaus willkommen geheißen wurden.

Mit einer schwarzen Null im Haushalt und unter Einhaltung der EU-Haushaltsregeln können die Migrantinnen, die jetzt in Europa Schutz suchen, nicht angemessen untergebracht oder gar integriert werden. Die Umverteilung hat sich bislang als Fake erwiesen. Der erste Frost wird erwartet und trotzdem werden Migrantinnen weiterhin in Zeltlagern einquartiert. Anders als 1938, als sich die Regierungen Europas – befangen in einer Wirtschaftskrise – bei der elenden Konferenz von Evian nicht über die Aufnahme der Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland einigen konnten (der Rückstau der unerwünschten Flüchtlinge war drei Jahre später Wasser auf die Mühlen der nazistischen Vernichtungskonzepte)anders als damals müsste die Politik heute wissen, dass es keinen objektiven Mangel an Geld gibt. Es kann ex nihilo generiert und sinnvoll investiert werden. George Soros und Yanis Varoufakis können doch nicht die einzigen sein, die diesen Zusammenhang verstanden haben.

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27. September 2015 · Kommentare deaktiviert für Kommentar: Am Point of No Return · Kategorien: FFM-Texte, Kommentar

Neue Achsen der Migration ziehen sich vom Nahen Osten und Nordafrika nach Mitteleuropa: Von Alexandria über Sizilien nach Mailand und weiter über die Alpen, und von Homs und Aleppo über Istanbul und Athen bis nach Salzburg und München. Die Migrationsbewegungen definieren das Mittelmeer neu, als Raum neuer sozialer Zusammenhänge, deren Ausläufer bis nach Deutschland reichen. Die Demokratie wird neu erfunden, und sie ist ein Produkt der Arabellion. Die Arabellion, die schon totgesagt war, eingekreist durch Bombardements und Despoten, erfindet sich neu in den aktuellen Migrationen.

Die Türkei hat als Durchgangsland gegenüber Libyen in den letzten Wochen an Bedeutung enorm gewonnen. Noch vor wenigen Monaten war die Türkei für bis zu 2 Millionen Migrantinnen ein vergleichsweise sicherer Ort. Zwar genießen Menschen aus dem Arabischen Raum in der Türkei kein Asylrecht, aber sie wurden als „Gäste“ behandelt, die Reicheren durften Häuser kaufen, die Ärmeren unterschichteten den Arbeitsmarkt, zumindest in den Grenzprovinzen, und trugen durch Verbilligung der informellen Arbeit zum Wirtschaftsaufschwung bei. Zugleich bemühte sich der türkische Staat um robuste Grenzkontrollen. Allein im ersten Halbjahr gab es mehr als 50 Tausend Festnahmen an den Grenzen.

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19. September 2015 · Kommentare deaktiviert für Kommentar: Gegen die Verteilungsquoten · Kategorien: FFM-Texte, Kommentar

Vor 40 Jahren hat Klaus Dörner auf einer Veranstaltung in Hamburg, bei der es gegen Psychiatrie und Gefängnisse ging, auf den Zusammenhang zwischen der Dichte, in der Menschen zusammengepackt werden, und ihrer Entwürdigung hingewiesen. Seine Einsichten lassen sich auf die Situation der Migrantinnen in Europa ohne Weiteres übertragen.

Schaut man die Fernsehbilder, so treten die Migrantinnen stets in großen Mengen auf, in Massenquartieren oder in Warteschlangen. Schon aus wenigen Dutzend machen die Fotos eine Masse. Es sind Kinder mit großen Augen darunter, die zumeist freundlich drein schauen, trotz allem, was sie schon hinter sich haben. Die Aufgabe, so die Botschaft, sei es, große Massen von Menschen zu kanalisieren, zu registrieren und unterzubringen. Als gäbe es zu den Aufnahmelagern und den Unterkünfte in Kasernen keine Alternative.

Wir dürfen uns von diesen Bildern nicht dumm machen lassen. Natürlich sind die Migrantinnen in großer Not, aber sie werden in diese Not gebracht nicht nur durch die Abwehrstrategien der EU, den Zaun in Ungarn und nun auch noch die katastrophale Lage in Kroatien, sondern zugleich durch die Art, wie sie hier, in Österreich und Deutschland, behandelt und stigmatisiert werden.

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16. September 2015 · Kommentare deaktiviert für Kommentar: Im Niemandsland der Flüchtlinge · Kategorien: FFM-Texte, Griechenland, Kommentar

Zigtausende Migrantinnen, die auf der Suche nach einem besseren Leben aus Syrien, Afghanistan, Irak, aus Ost- oder Westafrika über die griechisch-türkische Grenze in die EU gekommen sind, stecken in diesem Moment in Athen, Patras oder einem der Balkanstaaten fest. Sie haben die Ägäis auf Schlauchbooten überquert, sie sind schon in der EU, aber die Überfahrt nach Italien mit der Fähre von Patras gelingt angesichts scharfer Kontrollen nur wenigen. Die meisten versuchen, über den Balkan nach Westeuropa zu gelangen. Tausende bleiben in den Grenzgebieten, im „Niemandsland der Flüchtlinge“,1 stecken. Ihr Schicksal überkreuzt sich mit dem Schicksal der Menschen aus Mazedonien, dem Kosovo und Serbien, die der EU nicht für die Aufnahme würdig gelten.

Das Schicksal dieser Menschen erinnert an all diejenigen, die in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg an den Grenzen Europas abgewiesen wurden – die Armenier, die polnischen Juden, die Spanienkämpfer und schließlich die Flüchtenden vor dem Nazismus. Es sind Zigtausende – etwa ebenso viele wie diejenigen, die auf brüchigen Booten von Libyen aus das Mittelmeer überqueren und über Italien ihren Weg suchen. Die einen haben ihr Leben bei der Überquerung des Mittelmeers aufs Spiel gesetzt, die anderen tun dies bei dem Versuch, den Balkan zu durchqueren. „Ich hatte Angst vor dem Meer, aber das hier ist schlimmer als alles“ sagt eine Frau, die in Mazedonien an der Grenze nach Serbien schon mehrmals nach stundenlangen Fußmärschen aufgegriffen und zurückgewiesen wurde. Dabei hat sie die nächste Grenze, nach Ungarn, noch vor sich.

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12. September 2015 · Kommentare deaktiviert für Kommentar: Marsch der Hoffnung · Kategorien: FFM-Texte, Kommentar

Am 4. September starteten Tausende Flüchtlinge ihren „Marsch der Hoffnung“ vom Budapester Ostbahnhof Richtung Wien. Zahlreiche Berichterstatter und Videofilmer, die das staatlich organisierte Elend in Budapest dokumentiert hatten, versuchten, den Flüchtlingen die Absurdität ihres Vorhabens deutlich zu machen. Den Flüchtlingen wurde ein „Tunnelblick“ bescheinigt, obwohl sie freundlich entschlossen in die Kameras blickten. Gegen Abend kippte die repressive Wirklichkeit wie ein Kartenhaus zusammen. Es wurde klar, dass kein Staat die Flüchtlinge angesichts ihrer Entschlossenheit und der Unterstützung durch die Bevölkerung aufhalten konnte. Österreich und Deutschland öffneten ihre Grenzen.

Seit einem Jahr hatten wir, gestützt auf die Erfahrungen von WatchTheMed und Alarmphone, die Einschätzung verbreitet, dass die Festung Europa trotz rasanter Weiteraufrüstung ausgehöhlt wird und in eine historische Krise geraten ist – durch die Flüchtlingsbewegungen wie durch die Stimmung in der Bevölkerung. Mit dem „Marsch der Hoffnung“ vom 4. September erfolgte der Durchbruch. Deutsche Abschottungspolitiker à la Orbán stellen am 11. September fest, dass die EU den Stöpsel nicht mehr auf die Flasche kriege. Die Zuwanderung über den Balkan nach Deutschland und Nordeuropa wächst von Tag zu Tag weiter, auf Lesbos stauen sich derzeit 30.000 Flüchtlinge.

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05. September 2015 · Kommentare deaktiviert für Kommentar: Fünf vor Zwölf · Kategorien: FFM-Texte, Kommentar, Ungarn

Eine neue Eskalationsstufe ist erreicht. Während Orbán gestern in Brüssel den Dicken Mann markierte, wurden in Budapest 500 Migrantinnen in einen Zug gelockt, der sie nicht an die Grenze brachte, sondern in Bicske, 40 km hinter Budapest, von der ungarischen Polizei zum Halten gebracht wurde. Die Migrantinnen sollten in Busse umsteigen und in ein Lager transportiert werden. Aber sie weigern sich – jetzt, 30 Stunden später, steht der Zug noch immer vor Ort. Noch zögert die Polizei mit der gewaltsamen Räumung.

Unterdessen sind tausende Migrantinnen, die den Zaum überquert haben, in einem Lager in Röszke, gleich hinter der serbisch-ungarischen Grenze, interniert worden. Das Lager ist von einer Polizeikette umstellt – dennoch konnte eine Gruppe von 300 Personen fliehen. Sie werden von der Polizei gejagt. Weitere 2300 Personen haben gedroht, noch heute gemeinsam auszubrechen. Der Grenzübergang Röszke wurde gesperrt.

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