Die 74 Somalier, unter ihnen 13 Frauen und Männer, die Schiffbruch erlitten hatten und nicht nach Malta und Italien gebracht werden durften (s. früheren FFM-Kurzbericht), wurden in das Flüchtlingslager Choucha an der tunesisch-libyschen Grenze transportiert. Eine Internierung von Flüchtlingen ist nach tunesischem Gesetz aber nicht vorgesehen, trotzdem sind sie jetzt faktisch interniert.
www.ilfattoquotidiano.it
Die tunesische Tageszeitung La Presse schreibt am 18.03.2012, dass am 16.03.2012 über 100 tunesische Jugendliche aus dem Hafen Zarzis losgefahren sind. Unter ihnen: ein Dutzend aus Zarzis, sonst aus dem Landesinneren und dem Zentrum, vor allem aus Tatouine und Sidi Bouzid. Der Platz habe 750 Euro gekostet. Sie seien in Lampedusa angekommen und hätten schon über die Haftbedingungen berichtet.
http://www.lapresse.tn/18032012/47040/les-harraga-de-nouveau.html
Interview mit E. Gignac, UNHCR Tripolis
Auch nach dem Aufstand und dem Nato-Krieg in Libyen hält die Flucht / die Migration nach Libyen an. In einem ersten ausführlichen Interview schildert der UNHCR-Leiter Emmanuel Gignac ausführlich Herkunft, Zusammensetzung und Situation der zum Teil inhaftierten Flüchtlinge. Der UNHCR plädiert dafür, dass die libyschen Behörden den Ankommenden pauschal einheitliche Papiere ausstellt, die sie auch zur Arbeitsaufnahme berechtigen.
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Malta und Italien zwingen Rettungsschiff zur Fahrt nach Tunesien
Am Abend des 17.03.2011 musste ein französisches Fischerboot mit tunesischer Besatzung, das 74 Flüchtlinge in Seenot gerettet hatte, vor Malta und Lampedusa umkehren. Malta und Italien verweigerten die Aufnahme. Das Fischerboot lief nach Genehmigung der tunesischen Übergangsregierung im tunesischen Hafen von Sfax ein. Die tunesischen Fischer behaupten, dass ihr Boot von den schiffbrüchigen Flüchtlingen „gestürmt“ worden sei. Die italienische Tageszeitung „il manifesto“ erinnert daran, dass die Rettung in Seenot nicht eine freundliche Geste, sondern Pflicht ist. – Die Flüchtlinge anderer Boote, die zuvor nach Lampedusa gebracht worden sind, berichten von einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste. Sie selbst werden zum Teil noch auf den Schiffen im Hafen festgehalten, zum Teil wurden sie in Hafenanlagen untergebracht, zum Teil nach Sizilien weiter verbracht.
Fünf Leichname haben die italienische Küstenwache und der italienische Zoll im Kanal von Sizilien, noch in libyschen Gewässern, geborgen. Sie befanden sich an Bord eines Zodiac, 52 Flüchtlinge wurden gerettet. Unter ihnen waren fünf Frauen und ein Mann in völligem Erschöpfungszustand. Der Mann wurde von einem Militärhubschrauber in ein Krankenhaus geflogen. 2011 wurden im Kanal von Sizilien 1.822 tote Boat-people registriert.
275 Flüchtlinge auf drei Schiffen wurden 70 Seemeilen vor der süditalienischen Insel von der italienischen Küstenwache (?) gerettet, durften aber 24 Stunden und länger nicht an Land. Die Insel Lampedusa hatte der italienische Innenminister am 27.09.2011 zum „nicht sicheren Hafen“ erklärt, und dieses Anlandeverbot musste erst aufgehoben werden.
UNHCR zieht sich zurück und entlässt die ArbeiterInnen
Der UNHCR zieht sich aus dem Flüchtlingslager zurück und entlässt die dort beschäftigten ArbeiterInnen. Das Flüchtlingslager sei nicht als dauerhafte Einrichtung geplant gewesen. Die tunesischen ArbeiterInnen hatten Lohnerhöhungen gefordert. Derzeit befinden sich die ca. 3.000 Flüchtlinge in völliger Perspektivlosigkeit.
Kontrollen bei der Ein- und Ausreise
Die italienischen und algerischen Behörden kontrollieren die Aufenthaltsfristen in Italien – welche Sanktionen werden verhängt, wenn jemand ohne Genehmigung länger in Italien war?
Der UNHCR hat angekündigt, dass in Kürze viele Flüchtlinge aus Syrien und Somalia auf der süditalienischen Insel Lampedusa ankommen werden. Der italienische Staat hatte im Jahr 2011 einen Notstand gegenüber den angelandeten Boat-people aus Tunesien und Libyen organisiert, mit provozierter Obdachlosigkeit, fehlenden Decken und Nahrungsmitteln, mit Polizeiknüppeleinsätzen und schließlich mit dem Einsatz von Abschiebehaft-Schiffen. In einer Reihe von Aufständen hatten die drangsalierten Boat-people den dortigen Abschiebeknast auf der Militärbasis abgebrannt. Schließlich hatte die italienische Regierung Lampedusa zu einem „nicht sicheren Hafen“ erklärt und noch stärker abgeschottet.
FILM: Shousha | Choucha Camp
Ein Film von Enrico Montalbano, Laura Verduci und Judith Gleitze
gefördert von Pro Asyl und borderline-europe
Im Mai 2011 erschien der Appell VOICES OF CHOUCHA. Fast ein Jahr ist vergangen. Wenig hat sich geändert. Weiterhin harren über 3.500 Flüchtlinge an der tunesisch-libyschen Grenze aus. Es gibt weder ein Zurück nach Libyen noch in die Heimatländer. Flüchtlinge aus dem Sudan, Libyen, Botswana und Nigeria schildern ihre immer hoffnungsloser werdende Situation, nachdem ihre Asylanträge vom UNHCR abgelehnt wurden.